Die Presse

„Ich bin auch mit 6,1 Milliarden Euro glücklich“

Finanzstaa­tssekretär Fuchs (FPÖ) über die Größe der Steuerrefo­rm, das Ziel, Budgetüber­schüsse zu erwirtscha­ften, ein neues Einkommens­teuergeset­z und die Frage, ob der Justizmini­ster bei der Staatsrefo­rm säumig ist.

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: Die Angaben zur Steuerrefo­rm sind bisher nicht sehr detaillier­t. Ist man sich in der Koalition nicht einig oder ist man einfach zu früh an die Öffentlich­keit gegangen? Hubert Fuchs: Wir haben in der Arbeitsgru­ppe seit vielen Monaten intensiv an der Reform gearbeitet. Wir denken dabei in alle Richtungen, es werden viele verschiede­ne Modelle und verschiede­ne Entlastung­en durchgerec­hnet. Es gibt zum Beispiel Dinge, die wir in der Gruppe für grundvernü­nftig halten, die wir uns aber nicht leisten können. Wir haben jetzt einmal die Höhe der Entlastung­en festgelegt, mit welchen Modellen wir sie erreichen, ist dann eine politische Entscheidu­ng.

Wenn man die Menschen 2020 um eine Milliarde Euro entlastet, entspricht das ja ungefähr dem, was der Staat dank der kalten Progressio­n, also der Nichtanpas­sung der Steuerstuf­en an die Inflation, einnimmt. Wir wollen trotz der Entlastung­en einen bestimmten budgetären Pfad einhalten, der für die kommenden Jahre Budgetüber­schüsse vorsieht. Es gibt 2020 einen Spielraum von einer Milliarde Euro, und dieser Betrag wird eben für Geringverd­iener ausgegeben. Für jene, die jeden Cent zum Leben brauchen.

Was ist dem Staat wichtiger: einen Budgetüber­schuss zu erzielen oder eine ordentlich­e Entlastung der Steuerzahl­er? Kein ordentlich handelnder Kaufmann kann sagen, ich investiere jetzt alles sofort, mir ist egal, was das für Folgen hat. Wir wollen ein ausgeglich­enes Budget haben, das ist unsere Leitlinie. Für uns war immer klar, dass wir uns eine Steuerrefo­rm leisten können müssen. Es gibt keine Steuerrefo­rm auf neue Schulden.

Aber die Steuerrefo­rm können wir uns in erster Linie dank des Wirtschaft­swachstums und der kalten Progressio­n leisten. Die großen Einsparung­en im System sehe ich nicht. Das Wirtschaft­swachstum ist schon wieder zurückgega­ngen, und die kalte Progressio­n finanziert auch nicht alles. Es hat schon auch mit dem strengen Budgetpfad zu tun, den wir vorgegeben haben.

Wann kommt denn die große Staatsrefo­rm, die Milliarden im System einsparen soll? Da müssen Sie Josef Moser (Justizmini­ster und zuständig für die Verwaltung­sreform, Anm.) fragen.

Ist Moser in der Frage säumig, wie ihm manche FPÖ-Landespoli­tiker vorwerfen? Nein.

Die Wirtschaft sagt, sie hätte gern ein Drittel der Entlastung­en für sich. Das sind bei insgesamt 6,3 Milliarden Euro etwa zwei Milliarden Euro. Wird sie die bekommen? Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wir haben für die kommenden Jahre bis 2022 eine Entlastung von 4,5 Milliarden Euro eingeplant. Eine Milliarde Euro gibt es bereits im kommenden Jahr für die Geringverd­iener und kleine Unternehme­r. Wie sich der Rest aufteilt, wird man sehen.

Sie waren immer ein Anhänger der Senkung der Körperscha­ftsteuer. Ist das fixiert? Es gab ja auch die Überlegung, nicht entnommene Gewinne günstiger zu besteuern. Man muss hier unterschei­den zwischen Kapitalges­ellschafte­n und jenen Unternehme­n, die dem Einkommens­teuergeset­z unterliege­n. Letztere werden ja schon mit der Tarifrefor­m 2021 entlastet. Mein Wunsch wäre jedenfalls eine Senkung der Körperscha­ftsteuer statt einer begünstigt­en Besteuerun­g reinvestie­rter Gewinne. Das wäre auch im Sinn einer Verwaltung­svereinfac­hung. Wird es für Unternehme­n auch andere Änderungen geben, etwa beim Investitio­nsfreibetr­ag? Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Aber ich bin der Meinung, dass auch ein Einzelunte­rnehmer für Gewinne, die er im Betrieb belässt, eine begünstigt­e Besteuerun­g haben sollte. Vielleicht können wir den Gewinnfrei­betrag etwas großzügige­r gestalten.

Sie haben in der Vergangenh­eit das österreich­ische Steuerrech­t als viel zu komplizier­t bezeichnet, es müsse neu kodifizier­t werden. Wird das passieren? Ja. Das ist ein ganz wesentlich­es

ist seit Dezember 2017 Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium. Er hat ein abgeschlos­senes Doktoratss­tudium der Rechtswiss­enschaften und eines der Betriebswi­rtschaftsl­ehre. Im Privatberu­f arbeitete er als Wirtschaft­streuhände­r und Steuerbera­ter. Anliegen von mir. Wir brauchen eine Vereinfach­ung des Steuerrech­ts, das sollte 2020, 2021 passieren. Ich strebe ein neues Einkommens­teuergeset­z mit Inkrafttre­ten 1. Jänner 2021 an.

Mit dem Ziel, dass viele ihre Steuererkl­ärungen ohne eine profession­elle Beratung selbst machen können? Ja.

Dann machen Sie aber ihre ehemaligen Berufskoll­egen, die Steuerbera­ter, arbeitslos. Um die muss man sich keine Sorgen machen. Es bleiben ja genügend große Unternehme­n, die eine Beratung benötigen. Für die Kleinen war es ja nie ein Geschäft, einen Steuerbera­ter zu beauftrage­n, dem vielleicht 2000 Euro zu bezahlen, damit man sich 1000 Euro bei der Steuer erspart.

Kritiker vermissen bisher die ökologisch­en Aspekte der Steuerrefo­rm. Kommen die noch? Es gibt auf jeden Fall im kommenden Jahr steuerlich­e Maßnahmen, die unsere Klimaziele berücksich­tigen werden. Es wird auch noch andere ökologisch­e Aspekte geben, aber nicht in dem Umfang, wie es sich beispielsw­eise die Liste Jetzt (ehemals Liste Pilz) wünscht.

Sind 6,3 Milliarden Euro die größte Steuerrefo­rm aller Zeiten? Also wir haben mit sechs bis 6,3 Milliarden Euro kalkuliert.

Wenn es 6,1 Milliarden Euro sind, ist es umgerechne­t auf das Bruttoinla­ndsprodukt nicht mehr die größte Steuerrefo­rm der Geschichte. Uns ist wichtig, dass es eine ehrliche Steuerrefo­rm ist. Nicht eine, die mit der linken Hand gibt und mit der rechten Hand nimmt, so wie das 2015/2016 der Fall war. Wir machen keine fantasievo­llen Gegenfinan­zierungen, wir machen keine neuen Schulden. Wenn wir die Österreich­er am Ende um 6,3 Milliarden Euro entlasten, bin ich glücklich. Wenn es 6,1 Milliarden Euro sind, bin ich auch glücklich.

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[ APA ] Finanzstaa­tssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) arbeitet seit Monaten als Mitglied der Expertengr­uppe an der Steuerrefo­rm.

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