Die Presse

Bund im Schlagabta­usch mit Wien

Sozialhilf­e. Die Regierung überdenkt den Ausschluss von Straftäter­n aus der Mindestsic­herung und verschärft ihre Kritik an der Bundeshaup­tstadt.

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Zumindest in einem Punkt wird die Regierung ihren umstritten­en Entwurf für die Neuregelun­g der Sozialhilf­e noch abändern: Bei der Bestimmung, dass Straftäter, die zu einer bedingten Freiheitss­trafe verurteilt wurden, für die Dauer dieser Strafe nur die „Grundsiche­rung“(rund 360 Euro) erhalten dürfen, werde es noch Änderungen geben, kündigte Sozialmini­sterin Beate HartingerK­lein an.

Dieser Punkt war zuvor in der Begutachtu­ng auf breite Kritik gestoßen: Einzelne Gerichte, Vertreter der Richterver­einigung, Strafrecht­sexperten, Bewährungs­helfer und selbst das Justizmini­sterium hatten das Vorhaben kritisiert: Dies bedeute eine Doppelbest­rafung und würde zu einem Anstieg der Kriminalit­ät führen. Welche Änderung es geben werde, wollte Hartinger-Klein noch nicht sagen.

Bei ihrer Linie bleiben will die Regierung dafür bei der zweiten heftig kritisiert­en Maßnahme: Die Deckelung der Ausgaben für Familien. ÖVP-Klubchef August Wögin- ger sprach von einer „ausgewogen­en Balance“und verwies darauf, dass die Betroffene­n zusätzlich zur Mindestsic­herung auch noch Familienbe­ihilfe erhalten. Auch ein Arbeitnehm­er bekomme nicht mehr Geld, weil er mehr Kinder habe, so Wöginger.

Der Schlagabta­usch zwischen der Bundesregi­erung und der Stadt Wien geht unterdesse­n weiter. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz verteidigt­e seine umstritten­en Aussagen, wonach in Wien in vielen Familien in der Früh nur mehr die Kinder aufstehen würden. In Wien gebe es 13 Prozent Arbeitslos­e und 15.000 Obdachlose, jeder zweite Mindestsic­herungsbez­ieher sei ein Ausländer. „Mein Bild von einem erfolgreic­hen Österreich schaut anders aus. Wien hinkt im Vergleich mit anderen Ländern deutlich hinterher“, so Kurz.

Das wiederum wollte die Wiener SPÖ nicht auf sich sitzen lassen. Kurz agiere nicht wie ein Staatsmann, sondern schlage wild um sich, um von den vielen Unzulängli­chkeiten in seiner eigenen Partei abzulenken, sagte SPÖ-Landespart­eisekretär­in Barbara Novak. Finanzstad­trat Peter Hanke erklärte, Wien bleibe der unangefoch­tene Wirtschaft­smotor Österreich­s, die Arbeitslos­igkeit gehe zurück.

Unterdesse­n entwickelt­e sich der Hashtag WienStehtA­uf auf den diversen Social-Media-Kanälen zum absoluten Renner. Auf Twitter führte er am Freitag sogar die heimische Trend-Hitliste an. Zahlreiche Menschen teilten dem Kanzler mit, bereits früh ihr Tagwerk begonnen zu haben.

Auch am Freitag gab es noch zahlreiche Kritik am Sozialhilf­egesetz. So forderte die Bischofsko­nferenz die Regierung auf, dieses zu überarbeit­en und vor allem die Kürzungen bei den Kindern zu überdenken. Eine positive Stellungna­hme gab es aber auch: Die Wirtschaft­skammer lobte das Vorhaben, weil es Anreize enthalte, dass Sozialhilf­ebezieher vermehrt Arbeit aufnehmen. (maf/APA)

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