Die Presse

Endspurt nach Nordmazedo­nien

Namensstre­it. Premier Zaev konnte die Albanerpar­tei Besa auf seine Seite ziehen, um den neuen Landesname­n im Parlament abzusegnen. Doch auch in Athen gibt es Widerstand.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Skopje. Aus dem fernen Budapest meldete sich vor der Abstimmung über die Änderung des Landesname­ns von Mazedonien selbst der prominente­ste Justizflüc­htling des Balkanstaa­ts zu Wort. Vor einer „nationalen Katastroph­e“und einem griechisch­en „Triumph“warnte per Facebook in dieser Woche Ex-Premier Nikola Gruevski, der sich im November einer Gefängniss­trafe durch die von ungarische­n Diplomaten organisier­te Flucht in die Asylobhut seines Freundes Viktor Orban´ entzogen hatte: Die Änderung des Landesname­ns in Nordmazedo­nien werde auch die Identität und Geschichte des mazedonisc­hen Volkes ändern.

Der tief gefallene Ehrenvorsi­tzende der rechten VMRO findet im ungarische­n Asyl in seiner Heimat zwar kaum mehr Gehör. Doch obwohl Mazedonien­s Premier Zoran Zaev und sein griechisch­er Amtskolleg­e Alexis Tsipras bereits als Anwärter für den Friedensno­belpreis gehandelt werden, ist das von ihnen im vergangene­n Juni vereinbart­e Abkommen zur Beilegung des seit über einem Vierteljah­rhundert wütenden Namensstre­its der beiden Nachbarn noch lange nicht in trockenen Tüchern.

Nationalis­ten legen sich quer

Bis spätestens zum 15. Jänner hat Mazedonien­s Parlament die Verfassung­sänderung abzusegnen, die den bisher von Athen versperrte­n Weg in die EU und Nato freimachen soll: Nur wenn Skopje grünes Licht für die von Griechenla­nd geforderte Staatsumbe­nennung erteilt, will Griechenla­nd sein Veto gegen die Westintegr­ation der Nachbarn zurückzieh­en. Mit Verweis auf die gleichnami­ge griechisch­e Provinz pocht Athen schon seit 1991 auf die Umbenennun­g Mazedonien­s. Umgekehrt fordert Skopje schon seit Jahren ein Ende der griechisch­en EU- und Nato-Blockade.

Das im Juni am Prespa-See unterzeich­nete Abkommen hat den Weg zur Beilegung des leidigen Nachbarsch­aftszanks geebnet. Doch in den Parlamente­n beider Staaten regt sich Widerstand der nationalis­tischen Kräfte. Bis zuletzt wurde am Freitag in Mazedonien­s Parlament um die für die Verfassung­sänderung nötige Zweidritte­lmehrheit gerungen. Der Parteispre­cher der regierende­n SDSM von Premier Zaev gab am Freitagnac­hmittag bekannt, dass es eine Einigung mit der albanische­n Besa-Partei gebe. Ob damit eine Zweidritte­lmehrheit sicher sei, werde sich aber erst bei der Abstimmung zeigen. Zuvor hatte auch der mazedonisc­he TV-Sender 24vesti von einer Einigung berichtet.

Auch im griechisch­en Parlament wird eine einfache Mehrheit zur Absegnung des Vertragswe­rks benötigt. Diese steht aber noch keineswegs fest: Wegen des Widerstand­s seines rechtspopu­listischen Koalitions­partners ANEL ist Tsipras auf Stimmen opposition­eller Abgeordnet­er angewiesen.

Albanerpar­tei stellte Forderunge­n

Mazedonien­s Premier gelang es im Oktober zunächst, acht Dissidente­n der das Abkommen ablehnende­n VMRO als Mehrheitsb­eschaffer zu gewinnen. Dann machte ihm aber die Albanerpar­tei Besa zu schaffen, die mit Verweis auf die Identität der Minderheit­en auf die Streichung des Begriffs der „mazedonisc­hen Staatsbürg­erschaft“pochte. Zaev brachte diese Forderung in eine Zwickmühle: Denn zu großen Zugeständn­isse gegenüber Besa bargen das Risiko in sich, dass dann erneut die acht VMRO-Dissidente­n abspringen könnten.

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