Wenn Trump den Notstand ausruft
USA. Der Präsident erwägt, das Geld für den Grenzwall per Dekret aufzustellen. Der „Shutdown“wäre zu Ende – juristisch ein riskantes Unterfangen.
Ja, darf er denn das? Wahrscheinlich werde er den nationalen Notstand ausrufen, um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu lassen, sagte Donald Trump. So könnte das Weiße Haus die Tatsache umgehen, dass es im Kongress keine Mehrheit zur Finanzierung des höchst umstrittenen Grenzwalls findet. Tatsächlich ist die Proklamation eines Notstands für US-Präsidenten oftmals der letzte Ausweg, wenn sie ihren Willen anders nicht durchsetzen können. Einzig: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte Trump einen derartigen Schritt untersagen, ist relativ groß.
Jedenfalls sehen hinter vorgehaltener Hand viele Republikaner die Erklärung des Notstands als einzige Möglichkeit, den seit drei Wochen dauernden Regierungsstillstand zu beenden. Trump weigerte sich bis zuletzt vehement, weitere Regierungsausgaben abzusegnen, sofern die damit verbundenen Gesetzesvorlagen nicht mehr als fünf Milliarden Dollar für die Errichtung der Grenzmauer beinhalten. Die Demokraten wiederum, die das Repräsentantenhaus kontrollieren, haben das ausgeschlossen. Sie bezeichnen die von Trump geplante Barriere als „unmenschlich”.
Mit dem heutigen Samstag erreicht der Shutdown seinen 22. Tag und wird damit zum längsten in der US-Geschichte. Zahlreiche Parks und Sehenswürdigkeiten sind geschlossen, 800.000 Bundesbeamte bekommen kein Gehalt ausbezahlt und viele ärmere Familien müssen auf ihre Essensmarken, mit denen sie Lebensmittel einkaufen, warten. Wenn Trump nun den Notstand ausruft und so seine Mauer planen kann, könnte er seine Signatur auch unter Gesetzesvorlagen setzen, die kein Geld für die Barriere vorsehen. Der Stillstand wäre beendet, und beide Parteien hätten ihren Wählern gegenüber ihr Gesicht bewahrt – so lautet das Kalkül.
Freilich: Die Immigrationskrise wäre damit nicht beendet, der Streit um die illegale Einwanderung ginge weiter. Über kaum ein Thema diskutieren Republikaner und Demokraten seit Jahren emotionaler, bei kaum einem Thema sind Konservative und Liberale weiter voneinander entfernt. Trump ist davon überzeugt, dass über die Südgrenze auch „Verbrecher und Mörder“ins Land strömen. Die Demokraten um Nancy Pelosi und Chuck Schumer verweisen darauf, dass die USA eine moralische Verpflichtung hätten, Asylanträge entgegenzunehmen, und sich nicht abschotten sollten.
Schon unter Barack Obama kamen die Parteien auf keinen grü- nen Zweig. Damals ging es um den Umgang mit Hunderttausenden im Land lebenden Menschen, die als Kinder illegal in die USA gebracht worden waren. Als 2014 eine Ausnahmegenehmigung ablief, konnten sich das Weiße Haus und die Republikaner, die den Kongress dominierten, auf keine Verlängerung einigen.
Per Präsidialverfügung verordnete Obama, dass die Betroffenen nicht aus den USA gebracht werden, und stellte ihnen eine Arbeitsgenehmigung in Aussicht. Die Gerichte befanden schließlich, dass Obama damit seine Kompetenz überschritten hat. Der Status der sogenannten Dreamers ist nach wie vor unklar.
Nicht zuletzt deshalb gehen viele Verfassungsexperten davon aus, dass auch Trumps Plan für die Erklärung eines Notstands juristisch nicht halten würde. So überlegt der Präsident etwa, Geldmittel, die für den Katastrophenschutz und das Verteidigungsministerium vorgesehen wären, für den Bau der Barriere umzuleiten. Eine umgehende Klage der Demokraten wäre sicher – und die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte den Mauerbau vorläufig auf Eis legten, groß. Das letzte Wort hätte der Supreme Court, eine Entscheidung des Höchstgerichts könnte sich bis nach der Präsidentenwahl im kommenden Jahr hinziehen.
Noch unklar ist, ob Trump tatsächlich so weit gehen wird. Auch innerhalb seines engsten Kreises gibt es skeptische Stimmen, wonach der Präsident das Instrument des Notstands nicht missbrauchen sollte. Jared Kushner etwa, Schwiegersohn und Berater des Präsidenten, soll ihm seit Tagen ins Gewissen reden. Schließlich haben die Gründerväter diese Regelung für Ausnahmefälle vorgesehen, damit Finanzmittel ohne langwierige Zustimmung des Kongresses rasch umgeleitet werden können. Wiewohl: Auch darüber, ob die Lage an der Südgrenze nun außergewöhnlich ist oder nicht, gibt es heftigen Streit zwischen den Parteien.