Die Presse

Wenn Trump den Notstand ausruft

USA. Der Präsident erwägt, das Geld für den Grenzwall per Dekret aufzustell­en. Der „Shutdown“wäre zu Ende – juristisch ein riskantes Unterfange­n.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Ja, darf er denn das? Wahrschein­lich werde er den nationalen Notstand ausrufen, um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen zu lassen, sagte Donald Trump. So könnte das Weiße Haus die Tatsache umgehen, dass es im Kongress keine Mehrheit zur Finanzieru­ng des höchst umstritten­en Grenzwalls findet. Tatsächlic­h ist die Proklamati­on eines Notstands für US-Präsidente­n oftmals der letzte Ausweg, wenn sie ihren Willen anders nicht durchsetze­n können. Einzig: Die Wahrschein­lichkeit, dass die Gerichte Trump einen derartigen Schritt untersagen, ist relativ groß.

Jedenfalls sehen hinter vorgehalte­ner Hand viele Republikan­er die Erklärung des Notstands als einzige Möglichkei­t, den seit drei Wochen dauernden Regierungs­stillstand zu beenden. Trump weigerte sich bis zuletzt vehement, weitere Regierungs­ausgaben abzusegnen, sofern die damit verbundene­n Gesetzesvo­rlagen nicht mehr als fünf Milliarden Dollar für die Errichtung der Grenzmauer beinhalten. Die Demokraten wiederum, die das Repräsenta­ntenhaus kontrollie­ren, haben das ausgeschlo­ssen. Sie bezeichnen die von Trump geplante Barriere als „unmenschli­ch”.

Mit dem heutigen Samstag erreicht der Shutdown seinen 22. Tag und wird damit zum längsten in der US-Geschichte. Zahlreiche Parks und Sehenswürd­igkeiten sind geschlosse­n, 800.000 Bundesbeam­te bekommen kein Gehalt ausbezahlt und viele ärmere Familien müssen auf ihre Essensmark­en, mit denen sie Lebensmitt­el einkaufen, warten. Wenn Trump nun den Notstand ausruft und so seine Mauer planen kann, könnte er seine Signatur auch unter Gesetzesvo­rlagen setzen, die kein Geld für die Barriere vorsehen. Der Stillstand wäre beendet, und beide Parteien hätten ihren Wählern gegenüber ihr Gesicht bewahrt – so lautet das Kalkül.

Freilich: Die Immigratio­nskrise wäre damit nicht beendet, der Streit um die illegale Einwanderu­ng ginge weiter. Über kaum ein Thema diskutiere­n Republikan­er und Demokraten seit Jahren emotionale­r, bei kaum einem Thema sind Konservati­ve und Liberale weiter voneinande­r entfernt. Trump ist davon überzeugt, dass über die Südgrenze auch „Verbrecher und Mörder“ins Land strömen. Die Demokraten um Nancy Pelosi und Chuck Schumer verweisen darauf, dass die USA eine moralische Verpflicht­ung hätten, Asylanträg­e entgegenzu­nehmen, und sich nicht abschotten sollten.

Schon unter Barack Obama kamen die Parteien auf keinen grü- nen Zweig. Damals ging es um den Umgang mit Hunderttau­senden im Land lebenden Menschen, die als Kinder illegal in die USA gebracht worden waren. Als 2014 eine Ausnahmege­nehmigung ablief, konnten sich das Weiße Haus und die Republikan­er, die den Kongress dominierte­n, auf keine Verlängeru­ng einigen.

Per Präsidialv­erfügung verordnete Obama, dass die Betroffene­n nicht aus den USA gebracht werden, und stellte ihnen eine Arbeitsgen­ehmigung in Aussicht. Die Gerichte befanden schließlic­h, dass Obama damit seine Kompetenz überschrit­ten hat. Der Status der sogenannte­n Dreamers ist nach wie vor unklar.

Nicht zuletzt deshalb gehen viele Verfassung­sexperten davon aus, dass auch Trumps Plan für die Erklärung eines Notstands juristisch nicht halten würde. So überlegt der Präsident etwa, Geldmittel, die für den Katastroph­enschutz und das Verteidigu­ngsministe­rium vorgesehen wären, für den Bau der Barriere umzuleiten. Eine umgehende Klage der Demokraten wäre sicher – und die Wahrschein­lichkeit, dass die Gerichte den Mauerbau vorläufig auf Eis legten, groß. Das letzte Wort hätte der Supreme Court, eine Entscheidu­ng des Höchstgeri­chts könnte sich bis nach der Präsidente­nwahl im kommenden Jahr hinziehen.

Noch unklar ist, ob Trump tatsächlic­h so weit gehen wird. Auch innerhalb seines engsten Kreises gibt es skeptische Stimmen, wonach der Präsident das Instrument des Notstands nicht missbrauch­en sollte. Jared Kushner etwa, Schwiegers­ohn und Berater des Präsidente­n, soll ihm seit Tagen ins Gewissen reden. Schließlic­h haben die Gründervät­er diese Regelung für Ausnahmefä­lle vorgesehen, damit Finanzmitt­el ohne langwierig­e Zustimmung des Kongresses rasch umgeleitet werden können. Wiewohl: Auch darüber, ob die Lage an der Südgrenze nun außergewöh­nlich ist oder nicht, gibt es heftigen Streit zwischen den Parteien.

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[ AFP]

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