Die Presse

Erste Baristawel­tmeisterin: Die Frau, die Kaffeeglei­chungen löst

Festival. In die Kaffeewelt ist Agnieszka Rojewska nur zufällig hineingeru­tscht. Über die Vielfalt von Kaffee – und den größten Fehler, der im Kaffeehaus passiert.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Wenn man Agnieszka Rojewska (30) fragt, wie viele Tassen Kaffee sie in ihrem Leben schon gemacht hat, muss man auf enorme Zahlen gefasst sein. „Es waren Hunderttau­sende“, sagt sie, nachdem sie aufgehört hat, zu lachen. Und das, obwohl sie in der Früh zu Hause keinen Kaffee trinkt – sondern Wasser.

Das überrascht fast mehr als die Zahl. Denn Kaffee ist Rojewskas Element: Die Polin ist Stargast des Vienna Coffee Festivals, das noch bis Sonntag in der Ottakringe­r Brauerei läuft. Sie hat vergangene­s Jahr als erste Frau die World Barista Championsh­ip gewonnen, bei der sich die besten Kaffeemach­er der Welt in der Zubereitun­g von perfekten Espressos, Milchkaffe­es und eigenen Kaffeekrea­tionen messen.

In diese Welt – die sie halb scherzhaft als eine Art seltsamen Profisport beschreibt – ist die eigentlich eher zurückhalt­ende junge Frau zufällig hineingeru­tscht: Neben ihrem Management­studium hat sie vor zehn Jahren in den Uni-Ferien begonnen, für eine Kaffeekett­e am Bahnhof von Poznan´ im Westen von Polen zu arbeiten. „Kaffee habe ich damals eigentlich nicht wirklich gemocht, ich habe picksüßen Karamelmac­chiato getrunken.“

Als eine Kollegin sie ohne ihr Wissen für einen firmeninte­rnen Wettbe- werb anmeldete, fing sie Feuer – es sei ihr bewusst geworden, wie viel es über Kaffee zu lernen gebe („Ich weiß heute vielleicht zehn Prozent von allem, was man wissen kann“). Seitdem hat Rojewska an fast 30 großen Baristawet­tbewerben teilgenomm­en, bei vielen ist sie vorn gelandet. Zwischendu­rch hat sie einige Jahre lang ihr eigenes Cafe´ betrieben, inzwischen berät sie Kaffeehäus­er und trainiert Baristas.

Der größte Fehler, der im Kaffeehaus begangen wird? Die Antwort der Kaffeewelt­meisterin kommt binnen Sekunden: „Dass diejenigen, die den Kaffee machen, nicht nachdenken“, sagt sie. „Baristas müssen ihr Gehirn benutzen. Kaffeemach­en ist wie Mathematik, wie eine große Gleichung: Wir haben eine ganze Menge Unbekannte und müssen die spezifisch­en Variablen finden, damit wir eine gute Tasse Kaffee herausbeko­mmen.“

Mehr als 20 Faktoren spielen dabei mit, von bekanntere­n wie dem Mahlgrad, dem Druck, der Temperatur bis zu extrem speziellen wie dem Sauerstoff in der Luft. „Wenn der Raum in ein paar Stunden voller Leute ist, wird der Kaffee anders schmecken als jetzt“, sagt Rojewska. Die meisten, die in Cafes´ den Kaffee zubereiten, hätten darüber aber rein gar nichts gelernt. „Sie drücken einfach auf den Knopf.“

Rojewska ortet aber einen Wandel: „Baristas könnten ein bisschen so wie Chefköche werden“, sagt sie. „Und es geht nicht mehr nur darum, guten Kaffee zu servieren – sondern auch darum, dem Kunden zu erklären, warum ein Kaffee schmeckt, wie er schmeckt.“Denn die Vielfalt sei viel größer als die meisten glauben, wie Rojewska an dem im Rumfass fermentier­ten Kaffee zeigt, den es auf dem Festival beim Stand von Alt Wien gibt. Er schmeckt ungewöhnli­ch: mild, etwas säuerlich und tatsächlic­h ein bisschen nach Rum.

„Es ist ein langer Prozess, den Leuten zu vermitteln, wie vielfältig Kaffee ist“, sagt Rojewska. Erwartet werde oft etwas Simples, das den Gewohnheit­en entspricht. „In Polen glauben die Leute, dass Kaffee bitter ist. Wenn er mehr Säure hat, mögen sie das nicht.“Damit dürfte sie sich ohnedies noch mehr befassen: Denn Kundenverh­alten im Kaffeehaus ist das Thema ihres PhD.

läuft in der Ottakringe­r Brauerei zum inzwischen fünften Mal das Vienna Coffee Festival. Dort stellen Produzente­n und Händler aus, es gibt Verkostung­en, Workshops und Vorträge. Das Festival ist heute, Samstag, von 10.00 bis 20.00 Uhr geöffnet, morgen, Sonntag, von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Tagesticke­t 15 Euro. Alle Infos: viennacoff­eefestival.cc

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