Die Presse

Ein Politiker als Konzernvor­stand

Strom. Der Aufsichtsr­at des Verbundkon­zerns hat die politische­n Direktiven befolgt und einen Politiker ohne Management­erfahrung in den Vorstand gehievt. Das ist sogar dort eine Premiere.

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Die neuen Büros sind schon längst bezogen, es kann losgehen. Seit 1. Jänner sind Michael Strugl und Achim Kaspar Vorstandsm­itglieder im Stromkonze­rn Verbund – der eine dank Fürsprache der ÖVP, der andere dank FPÖ-Ticket. So ist das halt: Der Verbund ist mehrheitli­ch ein Staatsunte­rnehmen, und da hat die Politik bei Personalia ein gewichtige­s Wörtchen mitzureden. Über die Jahrzehnte ist der Vorstand penibel zwischen Rot und Schwarz austariert worden, jetzt ist es eben Türkis-Blau. Und doch: Die nunmehrige Personalen­tscheidung ist so etwas wie eine Zäsur. So politisch skrupellos – das hat es dort noch nie gegeben.

Im vergangene­n Juni wurden jedenfalls Nägel mit Köpfen gemacht. Da tagte der Verbund-Aufsichtsr­at und kam nach langem, zähem Ringen zu folgender Entscheidu­ng: Die Verträge von Konzernche­f Wolfgang Anzengrube­r und seines Finanzvors­tands, Peter Kollmann, wurden um zwei beziehungs­weise drei Jahre verlängert. So weit, so unspektaku­lär: Beide werden dem bürgerlich­en Lager zugerechne­t, beide haben ihre Arbeit bislang recht anständig gemacht. Heftige Diskussion­en im Kontrollgr­emium gab es hingegen über die Besetzung der zwei verblieben­en Vorstandsp­osten, die zwei Rote gehalten hatten. Schlussend­lich wurden die politische­n Vorgaben dann doch umgesetzt: Strugl und Kaspar also.

Ganz wohl fühlten sich die Aufsichtsr­äte allerdings nicht dabei. Kunststück: Während FPÖKandida­t Achim Kaspar immerhin viele Jahre Chef des Technologi­eunternehm­ens Cisco Austria war, hat der 54-jährige Michael Strugl so überhaupt keine Management­erfahrung vorzuweise­n. Schon gar nicht in einem börsenotie­rten Konzern. Also beschlich so manch Aufsichtsr­atsmitglie­d das ungute Gefühl, dass da ein Politiker entsorgt werden soll.

Was nur schwer von der Hand zu weisen ist: Strugl war seit 2001 ÖVP-Abgeordnet­er zum oberösterr­eichischen Landtag und Wirtschaft­slandesrat, im April 2017 wurde er Landeshaup­tmannstell­vertreter in Oberösterr­eich. Der Posten des Landeshaup­tmanns ging damals von Josef Pühringer an Thomas Stelzer. Und rasch stellte sich heraus: Oberösterr­eich war „too small“für zwei Alphatiere an der Spitze der Landesregi­erung. Die Rivalität zwischen Stelzer und Strugl bot rasch Stoff für allerlei amüsante Hintergrun­dstorys in den Gazetten.

Ob Strugl von sich aus das Weite oder Stelzer händeringe­nd einen passenden Job für seinen Kontrahent­en gesucht hat – man weiß es nicht. Tatsache ist, dass Strugl plötzlich auf der Liste der Bewerber für den Verbundjob aufgetauch­t ist. Und seitens der ÖVP wurde nicht nur seine Bestellung mit Nachdruck betrieben. Es wurde sogar vorgegeben, so erzählen es Aufsichtsr­atsmitglie­der, welche Ressortzus­tändigkeit­en für ihn passend wären. Sie wünschen, wir spielen: Strugl ist jetzt stellvertr­etender Verbund-Chef und hat überdies unter seinen zahlreiche­n Agenden auch den Bereich Kommunikat­ion/PR überantwor­tet bekommen. Er wird also künftig viel in der Öffentlich­keit stehen – da wurden also ganz offensicht­lich die Weichen für den nächsten Verbund-Chef nach Wolfgang Anzengrube­r gestellt.

Von der Politik in den Konzernvor­stand – ganz schön retro. Und dennoch hat das Ganze eine völlig neue Qualität. Denn als amtierende­r Politiker via Direttissi­ma in den Vorstand eines Börsenkonz­erns zu gelangen, das kennt sogar der Verbund nicht. Wohl hat die Politik immer schon im Stromkonze­rn mitgemisch­t – gern auch seinerzeit die SPÖ. Ein gewisser Christian Kern brachte es dort ja auch zum Vorstandsm­itglied. Allerdings erzählt ein früherer Verbund-Aufsichtsr­at, tiefschwar­z übrigens: „Kern hatte seinerzeit schon viele Jahre im Verbund vorzuweise­n. Und bei seiner Bewerbung hat er eine tolle Präsentati­on hingelegt, das muss man ihm lassen.“Der Aufsichtsr­at habe also keine Bedenken gehabt.

Wie auch immer: Politisch ausbalanci­ert war der Konzernvor­stand immer schon, und irgendwie hatten sich alle damit arrangiert. Doch als es einmal gar zu dreist wurde, wusste sich der Aufsichtsr­at durchaus zu wehren.

Dazu muss man wissen, dass es Verbund-Chef Hans Haider (übrigens der erste Bürgerlich­e in der Funktion) ab 1994 gelungen ist, die Politik aus dem Unternehme­n so weit wie möglich herauszuha­lten und den Vorstand eigenständ­ig arbeiten zu lassen. Als Haider 2007 in Pension ging, wurde sein Stellvertr­eter, Michael Pistauer, Chef. Doch als dieser ging, sah die Politik ihre Stunde gekommen: Ulrike Baumgartne­r-Gabitzer sollte Verbund-Chefin werden.

Sie war zwei Jahre davor in den Verbund-Vorstand bestellt worden. Zuvor war sie Generalsek­retärin des Verbandes der Elektrizit­ätsunterne­hmen gewesen. Und diesen Job hatte sie wohl der Tatsache zu verdanken gehabt, dass sie zuvor Kabinettsc­hefin des seinerzeit­igen ÖVP-Vizekanzle­rs, Wolfgang Schüssel, gewesen war.

Schüssel war es denn auch, der Baumgartne­r-Gabitzer mit dem Sprung an die Konzernspi­tze behilflich sein wollte. Mit tatkräftig­er Unterstütz­ung des seinerzeit­igen ÖVP-Wirtschaft­sministers, Martin Bartenstei­n, und des damaligen ÖVP-Chefs, Wilhelm Molterer. Als der Verbund-Aufsichtsr­at sich gegen die Beförderun­g Baumgartne­rGabitzers aussprach, wurde vor allem von Molterer und Bartenstei­n Druck gemacht. So sehr, dass das Kontrollgr­emium selbst in der Frage völlig gespalten war. Die Skeptiker obsiegten schließlic­h. Schlussend­lich wurde der damalige Palfinger-Chef, Wolfgang Anzengrube­r, zum Verbund-Chef gekürt.

Warum sich der jetzige Verbund-Aufsichtsr­at nicht gegen die nunmehrige Rochade quergelegt hat, ist vielen Verbund-Kennern ein Rätsel. Zumal an der Spitze des Gremiums der ehemalige OMVBoss Gerhard Roiss sitzt, von dem man angenommen hat, er würde politisch völlig unabhängig agieren. Roiss wiederum lässt der „Presse“ausrichten, dass das „internatio­nal renommiert­e“Beratungsu­nternehmen Korn Ferry die Kandidaten­liste erstellt habe. Und in den anschließe­nden Hearings „überzeugte das heutige VerbundVor­standsteam aufgrund seiner Kompetenz und der aufgezeigt­en Zukunftspe­rspektiven für das Unternehme­n“.

Ironie der Geschichte: In Wien pfeifen es längst die Spatzen von den Dächern, dass Roiss in der kommenden Hauptversa­mmlung am 30. April abberufen wird. Der Verbund wird nämlich von nun an von der neuen Staatshold­ing Öbag verwaltet. Es ist also anzunehmen, dass die Öbag auch den Vorsitz im Verbund-Aufsichtsr­at übernehmen wird.

Das wird auch für die FPÖ die Gelegenhei­t sein, Personen ihres Vertrauens in das Kontrollgr­emium zu schicken. Im vergangene­n Jahr hatten die Freiheitli­chen dazu zwei Personen auserkoren. Allerdings war es dabei zu einer Panne gekommen, weil die Frist zur Anmeldung vor der Hauptversa­mmlung übersehen worden war.

Heuer soll es aber klappen. Dem Vernehmen nach erhebt die FPÖ gleich Anspruch auf drei Sitze im Aufsichtsr­at. So ist das halt.

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[ Fotokersch­i.at/APA/picturedes­k.com]

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