Die Presse

Der Tunnel und die fokussiert­e Inkompeten­z

Sollte man Milliarden­projekte nicht vor Baubeginn evaluieren?

- Josef.urschitz@diepresse.com

D iese Woche werden in Tirol einige aufgeatmet haben: Der italienisc­he Verkehrsmi­nister hat öffentlich mitgeteilt, dass sein Land nun wohl eher doch keinen Baustopp für den BrennerBas­istunnel verfügen werde. Wenngleich: Die KostenNutz­en-Evaluierun­g sei noch nicht fertig.

In Italien haben im Vorjahr mehrere Regierungs­mitglieder einen solchen Baustopp in den Raum gestellt. Mit der Begründung, die erwartbare­n volkswirts­chaftliche­n Vorteile aus dem Bauwerk seien geringer als dessen Kosten. Italien wird mindestens drei Mrd. Euro in den Tunnel stecken.

Die Analyse der italienisc­hen Minister deckt sich ziemlich genau mit der des EU-Rechnungsh­ofs, der das Projekt im Vorjahr in der Luft zerrissen hat. Auch die Rechnungsh­of-Prüfer waren der Meinung, dass die Kosten in keiner Relation zum erwartbare­n Nutzen stünden. Die EU wird den Tunnel kofinanzie­ren.

In Wien hat der Verkehrsau­sschuss des Parlaments ebenfalls in dieser Woche die Aufnahme von Gesprächen mit Bayern über den Ausbau der Tunnelzula­ufstrecken angeregt. Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer wird sich darum kümmern. Deutschlan­d hat nämlich noch nicht einmal konkrete Pläne für den Bau dieser Zulaufstre­cken, ohne die der Tunnel aber praktisch in der Luft hängt. Und wohl auch keinen Bock darauf, denn in der bayerische­n Bevölkerun­g gibt es harsche Widerständ­e. Österreich steckt übrigens ebenfalls mindestens drei Milliarden Euro in den Tunnel. S o, und jetzt ist der naive Staatsbürg­er, der glaubt, dass auch in Regierungs­stuben Dinge wie fokussiert­e Intelligen­z und Verantwort­ungsbewuss­tsein existieren, ein wenig konsternie­rt. Hat er doch bisher angenommen, dass man Sinnhaftig­keit, Wirtschaft­lichkeit und Betriebsvo­raussetzun­gen bei einer Zehn-Milliarden­Investitio­n bereits vor dem Baubeschlu­ss klärt. Und nicht erst dann, wenn die Maschinen schon tief im Berg stecken.

Schade, dass man Politiker für solchen Umgang mit Steuergeld nicht strafrecht­lich belangen kann.

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