Der Tunnel und die fokussierte Inkompetenz
Sollte man Milliardenprojekte nicht vor Baubeginn evaluieren?
D iese Woche werden in Tirol einige aufgeatmet haben: Der italienische Verkehrsminister hat öffentlich mitgeteilt, dass sein Land nun wohl eher doch keinen Baustopp für den BrennerBasistunnel verfügen werde. Wenngleich: Die KostenNutzen-Evaluierung sei noch nicht fertig.
In Italien haben im Vorjahr mehrere Regierungsmitglieder einen solchen Baustopp in den Raum gestellt. Mit der Begründung, die erwartbaren volkswirtschaftlichen Vorteile aus dem Bauwerk seien geringer als dessen Kosten. Italien wird mindestens drei Mrd. Euro in den Tunnel stecken.
Die Analyse der italienischen Minister deckt sich ziemlich genau mit der des EU-Rechnungshofs, der das Projekt im Vorjahr in der Luft zerrissen hat. Auch die Rechnungshof-Prüfer waren der Meinung, dass die Kosten in keiner Relation zum erwartbaren Nutzen stünden. Die EU wird den Tunnel kofinanzieren.
In Wien hat der Verkehrsausschuss des Parlaments ebenfalls in dieser Woche die Aufnahme von Gesprächen mit Bayern über den Ausbau der Tunnelzulaufstrecken angeregt. Infrastrukturminister Norbert Hofer wird sich darum kümmern. Deutschland hat nämlich noch nicht einmal konkrete Pläne für den Bau dieser Zulaufstrecken, ohne die der Tunnel aber praktisch in der Luft hängt. Und wohl auch keinen Bock darauf, denn in der bayerischen Bevölkerung gibt es harsche Widerstände. Österreich steckt übrigens ebenfalls mindestens drei Milliarden Euro in den Tunnel. S o, und jetzt ist der naive Staatsbürger, der glaubt, dass auch in Regierungsstuben Dinge wie fokussierte Intelligenz und Verantwortungsbewusstsein existieren, ein wenig konsterniert. Hat er doch bisher angenommen, dass man Sinnhaftigkeit, Wirtschaftlichkeit und Betriebsvoraussetzungen bei einer Zehn-MilliardenInvestition bereits vor dem Baubeschluss klärt. Und nicht erst dann, wenn die Maschinen schon tief im Berg stecken.
Schade, dass man Politiker für solchen Umgang mit Steuergeld nicht strafrechtlich belangen kann.