Etihad Airways wollte mit Zukäufen einen globalen Luftfahrtkonzern bilden. Die kostspielige Strategie ist gescheitert, nach Air Berlin und Alitalia droht auch Jet Airways der Bankrott.
Analyse.
Jetzt wird es wirklich eng: Die größte private indische Fluglinie, Jet Airways, braucht dringend frisches Geld, um den finanziellen Absturz abzuwenden. Bei einem Treffen mit den Gläubigerbanken in dieser Woche bat die Airline, die seit Dezember ihre Kredite nicht mehr bedienen kann, die Zahlungen bis mindestens Ende März auszusetzen. Eine Antwort bekam Jet Airways nicht – die Banken wollen erst das Ergebnis einer Analyse von Ernst & Young auf dem Tisch haben, ob Jet Airways überhaupt überlebensfähig ist.
Wie immer das Match mit den Banken ausgeht: Faktum ist, dass der Gründer, Naresh Goyal, vor allem aber der Großaktionär Etihad aus Abu Dhabi mindestens 450 Millionen Dollar einschießen sollen. Denn der indische Staat hat jegliche Hilfe abgelehnt.
Der drohende Bankrott von Jet Airways bestätigt endgültig, was sich nach der Pleite von Air Berlin und deren Tochter Niki schon deutlich abgezeichnet hat: Die Golf-Airline Etihad ist mit ihrer Strategie, über Beteiligungen die Präsenz in Europa und anderen wichtigen Märkten auszubauen, kläglich gescheitert.
Das Debakel würde die Herrscherfamilie, die den Luftfahrtkonzern dominiert, so natürlich niemals zugeben. „Wir haben die Vision, die beste Airline der Welt zu sein und den Globus über Abu Dhabi zu verbinden“, heißt es auf der Website. Das stimmt nur mehr im Hinblick auf die Qualität – Etihad zählt zu den zehn „Fünf-Sterne-Airlines“weltweit.
Wirtschaftlich sieht es anders aus: Nach Verlusten von zwei Mrd. Dollar 2016 und 1,5 Mrd. Dollar 2017 erwartet Etihad auch 2018 und 2019 „signifikante Abgänge“, wie die Airline jetzt eingeräumt hat.
Dabei hat alles so erfolgversprechend angefangen. Es war um die Jahrtausendwende: Das Öl verhalf dem Emirat zu immensem Wohlstand. Wolkenkratzer, Luxushotels, Museen, Megamoscheen und Industrieparks wuchsen aus dem sandigen Boden – die Glitzerwelt kannte keine Grenzen. Aber etwas fehlte, was das Nachbaremirat Dubai schon hatte: eine Flugli- nie. Da zögerte Scheich Chalifa bin Zayid al Nahyan, der damalige Herrscher von Abu Dhabi, nicht lang. Er gründete 2003 ebenfalls eine Fluglinie und baute gleich einen neuen Flughafen. Schließlich wollte man den Nachbarn in Dubai nicht das ganze Feld überlassen.
Das Modell funktionierte prächtig. Der wachsende Wohlstand machte die eigene Bevölkerung reiselustig, die Hyper-Cities zwischen Wüste und Meer zogen Millionen Arbeitswillige aus aller Welt und ebenso viele Geschäftsleute und Touristen an. Emirates und Etihad sowie Qatar Airways aus dem benachbarten Katar legten enorme Wachstumsraten hin und entwickelten sich zu den schärfsten Widersachern der europäischen und US-amerikanischen Fluglinien.
Ihre Strategie unterschied sich jedoch gravierend. Emirates postulierte den Alleingang und schloss jegliche Beteiligungen aus – weshalb sie auch einem Zusammengehen mit Etihad skeptisch gegenüberstehen. Die Katarer wiederum sind Mitglied bei Oneworld und halten 20 Prozent an der die Alli- anz dominierenden ways-Holding IAG.
Etihad indes kaufte sich schrittweise bei vielen Fluglinien ein: Air Berlin, Alitalia, Air Seychelles, Aer Lingus, Air Serbia, Virgin Australia und Jet Airways. Treiber hinter der kostspielen Expansion, die dazu beitrug, dass Etihad von einer kleinen Regionallinie zu einem internationalen Player wurde, war der Langzeitboss James Hogan. Sein unfreiwilliger Abgang Mitte 2017 deutete nichts Gutes an. Während nämlich die kleineren Fluggesellschaften mit der Partnerschaft erfolgreich wurden, entwickelten sich just die drei großen Air Berlin, Alitalia und Jet Airways zu Milliardengräbern. Wobei, wie Luftfahrtexperten einräumen, viele Probleme schon beim jeweiligen Einstieg erkennbar gewesen seien.
Air Berlin und Alitalia sind schon pleite, Jet Airways kämpft dagegen an. Rechnet man Altlasten dazu, dürfte die missglückte Europa-Expansion rund sieben Mrd. Euro verschlungen haben. Vom globalen Luftfahrtkonzern Etihad ist ein Scherbenhaufen übrig geblieben. Diesen soll nun der British-Air- seit etwas über einem Jahr amtierende neue Boss, Tony Douglas, kitten. Er hat ein Restrukturierungsprogramm aufgesetzt, das auch eine neue Konzernstruktur vorsieht. Zwei Managementebenen werden gestrichen.
Flugzeugbestellungen werden storniert, Tausende Jobs gestrichen. Douglas will die Kosten um zehn Prozent drücken. An Kooperationen will er festhalten, allerdings über Codeshare-Abkommen (Flüge unter gemeinsamer Flugnummer). Die Beteiligungen dürften weniger Gewicht bekommen.
Eine Fusion mit dem Erzkonkurrenten Emirates, über die als Lösung aller Sorgen spekuliert wird, wollen die stolzen Wüstensöhne nicht einmal andenken. Etihad sei für den Tourismus, den Handel und den Zugang zu internationalen Märkten von strategischer Bedeutung, sagt Verwaltungsratspräsident Mohamed Mubarak Fadhel al-Mazrouei. Stellt sich nur die Frage, wie viele Milliarden Verlust die Scheichs noch hinnehmen wollen.