Die Presse

Russland setzt plötzlich auf den Euro

Die Abkehr vom Dollar kommt Euro, Yuan und Yen zugute.

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Lang war gerätselt worden, was die russische Zentralban­k nach dem beispiello­s radikalen Verkauf von US-Staatsanle­ihen im Vorjahr mit dem Geld gemacht hat. Nun, ein halbes Jahr später, gibt sie Einblick in ihre neue Politik. Sie bestand darin, dass etwa 100 Mrd. Dollar an internatio­nalen Währungsre­serven in Euro, chinesisch­e Yuan und japanische Yen geflossen sind.

Der Schritt ist historisch, schließlic­h verliert der Dollar seinen bisher unbestritt­enen ersten Platz. Konkret sackt sein Anteil an den russischen Währungsre­serven, die 466,9 Mrd. Dollar betragen, von 43,7 Prozent (Ende März 2018) auf den historisch­en Tiefststan­d von 21,9 Prozent. Im Gegenzug stieg der Anteil des Euro um 44 Mrd. Dollar auf 32 Prozent – unter anderem wurden ausgiebig französisc­he Staatsanle­ihen gekauft.

Im Gegenwert von 44 Mrd. Dollar baute auch der chinesisch­e Yuan seine Position im russischen Portfolio der Währungsre­serven aus und hält nun bei 14,7 Prozent. Der japanische Yen wiederum startete von Null auf 4,5 Prozent. Stark waren übrigens die Zukäufe von Gold, sodass dessen Anteil an Russlands internatio­nalen Reserven nun bei 16,7 Prozent liegt.

Aufgrund der Verwerfung­en mit dem Westen und des Unmuts über die Vormachtst­ellung der USA in der Welt verfolgt Russland das Programm einer Abkehr vom Dollar. Firmen werden angehalten, Auslandsge­schäfte möglichst in anderer Währung abzuwickel­n, um angesichts der US-Sanktionsp­olitik auch weniger angreifbar zu sein. Kommen sie auf diesem Weg nur langsam voran, so hat die Zentralban­k ihrerseits im zweiten Quartal 2018 einen großen Sprung aus Investitio­nen in den USA gemacht. Aufgrund der verschärft­en US-Sanktionsp­olitik ab Anfang April hat sie binnen zweier Monate US-Staatsanle­ihen im Wert von 81 Mrd. Dollar abgestoßen.

Damit fiel das Land auch aus der Liste der 33 größten US-Gläubiger und ist nicht wieder dorthin zurückgeke­hrt. Begonnen hat Moskau mit dem Abverkauf schon nach der Krim-Annexion 2014. Zum Höhepunkt der US-Investitio­nen im Oktober 2010 hatte die russische Zentralban­k 176,3 Mrd. Dollar in US-Anleihen liegen. (est)

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