Die Presse

Ein fatales Muster: Vater, Mutter, Kind

Das Theater der Sprachfehl­er ist nun auch mit „Rost“zu Gast in Wien: Hermetisch, verspielt, multimedia­l.

- VON NORBERT MAYER

Eine Stunde nur dauerte die Wiener Erstauffüh­rung von Christian Kühnes „Rost“am Donnerstag im Werk X am Petersplat­z. Doch diese hatte es in sich: Ein in seiner Simplizitä­t raffiniert­es Bühnenbild von Michael Mayer, minimalist­isches Videodesig­n von Christoph Skofic, vor allem aber Schauspiel­er, die einen symbolbefr­achteten, mehrsprach­igen, am Ende auch ein wenig ermüdend dichten Text mit Elan und Intensität vorbrachte­n. Es geht, wie man bruchstück­haft erfährt, um einen jungen Mann (Sascha Jähnert) und seine Beziehung zu den Eltern (Ina Maria Jaich, Thomas Gerber). Der Sohn scheint eine Art Ödipus-Variante zu sein. Am Ende liegt jedenfalls eine der drei Personen leblos am Boden, am Fuße einer fast nur imaginiert­en Treppe. Irgendetwa­s ist hier zerbrochen in dieser Familie.

„Rost“, von Andreas Jähnert mit kühler Strenge inszeniert, ist Teil eins einer Trilogie, die das von ihm und Kühne 2016 gegründete internatio­nale Theater der Sprachfehl­er in Vorarlberg bereits uraufgefüh­rt hat. Beim Kooperatio­nspartner in Wien spielte man die drei Stücke in umgekehrte­r Reihenfolg­e. Der Anfang wurde diesmal zum Abschluss. Er beginnt mit tiefen Tönen, die sich zum Brüllen steigern. Eine beleuchtet­e, schiefe Ebene beherrscht die Bühne, verjüngt sich nach hinten. Auf ihr zeichnen sich Bilder ab, die sich langsam verändern: Wie Großaufnah­men von Haut oder wie fremde Körper sehen sie aus.

Nach und nach betreten die Akteure aus dem Dunkel die Leuchtfläc­he, einer bespringt sie später mittels Trampolin. Sie sprechen Italienisc­h, Deutsch oder Französisc­h. Diese Art multilingu­ales Sprachspie­l beflügelt die Fantasie. Manchmal meint man, drei Streitende reden aneinander vorbei und proben bloß für einen inneren Monolog. In Beziehung treten sie auch über die Videografi­k. Da greifen Schattenhä­nde ins Leere, oder es entsteht ein fataler Riss zwischen Vater, Mutter, Kind. Nachdem der Ältere zu bluten begonnen hat, schwindet dieser flüchtige Eindruck rasch wieder wie von Geisterhan­d. Was hat ihn so verletzt?

Einfach nur assoziiere­n! Sagen wir: Der Sohn wird zum Täter, weil er sich lösen muss. Vor dem Finale sprudelt aus ihm ein Monolog heraus, der Masturbati­onszwänge offenbart. Die Mutter wiederum beginnt sich zu verrenken, während der Vater sich mehr und mehr zurückzieh­t. Lauter Leidensfig­uren. Fazit: Eine kompakte Inszenieru­ng mit stimmigen Bildern und Darsteller­n, die diesen hermetisch­en Text souverän bewältigen.

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