„Es wird niemand denunziert“
TV. Autor und Regisseur Thomas Roth verwebt im neuen „Tatort“einen realen, rätselhaften Fall mit Fiktion. „Die Machenschaften in der Politik sind immer dieselben“, sagt er.
Diesen Sonntag geht es im „Tatort“um den Mord an einer InvestigativJournalistin, die einen Jahrzehnte zurückliegenden Todesfall recherchierte: Hat Ex-Verteidigungsminister Karl Ferdinand Lütgendorf, der 1977 wegen des Verdachts, in illegale Waffengeschäfte verwickelt zu sein, zurücktreten musste, im Oktober 1981 tatsächlich Suizid begangen? Die Sache ist bis heute nicht restlos geklärt. Nun müssen sich die „Tatort“-Kommissare Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser) mit dem Fall herumschlagen, den Autor und Regisseur Thomas Roth in eine fiktive Handlung eingewoben hat . . .
Die Presse: Wie sind Sie auf den 37 Jahre alten Fall Lütgendorf gekommen? Thomas Roth: Diese Sache hat mich schon als Jugendlicher interessiert, weil das so rätselhaft war. Ich habe mich in Idee verliebt, einen realen Fall herzunehmen, der von Eisner und Fellner aufzuklären ist. Und es geht darum, zu zeigen, dass gewisse Machenschaften in Politik und Wirtschaft immer dieselben sind – was 1977 stattgefunden hat, gibt es heute genauso: U-Ausschüsse, Korruption, Politiker, die vor Gericht kommen. Ich wollte das in eine Parabel kleiden.
Haben Sie für das Drehbuch in der Causa Lütgendorf auch selbst recherchiert? Ja, ich habe versucht, an interne Daten heranzukommen. Das war aber nicht besonders erfolgreich. Ich habe fast nichts gefunden, was man nicht ohnehin wusste. Gab’s Widerstand gegen Ihre Recherchen? Die „Tatort“-Kommissare werden ja bald von der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit zurückgepfiffen. Nein. Aber ich habe auch nicht versucht, im Innenministerium an geheime Akten heranzukommen. Kommissar Eisner hat eine sehr direkte Art – ihm fehlt auf dem politischen Parkett das Feingefühl. Sein Vorgesetzter hingegen weiß: Man muss, wenn’s um Politik geht, extra vorsichtig sein.
Im Film kommen auch Udo Proksch und Ex-Minister Robert Lichal vor – auf Fotos, u. a. vom Opernball. Ist das nicht heikel? Diese Fotos, das sind ja alles Originale. Das sind historische Fakten – es wird niemand denunziert.
Apropos heikel: Kommissarin Fellner kämpft wieder einmal mit ihrem Alkoholproblem. War das eine ORF-Vorgabe? Es gibt der Figur eine Tiefe, dass sie in diesem Kampf steht, dass sie mit einer Wirklichkeit konfrontiert ist, die nicht nur schöne, einfache Seiten hat. Aber es gibt keine strikten Vorgaben vom ORF – es gibt überhaupt relativ wenige Einschränkungen. Und sie trinkt den Alkohol ja letztlich nicht.
Sie drehen gerade in Berlin neue Folgen von „Der Kriminalist“und machen oft Krimis – „Trautmann“, „Kommissar Dupin“. Dies ist Ihr achter „Tatort“. Schauen Sie auch privat gern TV-Krimis? Ich schaue lieber Kinofilme, und da bin ich breit aufgestellt. Mit meinen Kindern habe ich über Weihnachten „Fluch der Karibik“, „Herr der Ringe“, „Harry Potter“und so angeschaut. Aber mich interessiert mehr der Mensch, das Leben selbst. Ich schaue gern Arthouse-Filme aus aller Welt an.
Sie haben ein einziges Mal Theater gemacht: Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“am Volkstheater 2005. Warum ist es dabei geblieben? Hat es Sie nicht gefreut oder hat es sich nicht ergeben? Das war für mich sehr lehrreich. Ich habe viel erfahren über Schauspiel, auch über die Arbeit am Theater. Das ist sehr zeitintensiv – und ich konnte dann kein Projekt mehr realisieren. Ich würde aber gern einmal eine Oper inszenieren, das fände ich reizvoll.
Warum ausgerechnet Oper – und welche? Die Oper ist, wenn man das Wort strapazieren möchte, ein Gesamtkunstwerk – so wie der Film. Musik, Sprache, Bühne, Schauspieler, Ausstattung: Da kommen viele Dinge zusammen, die wichtig sind. Und es gibt vieles, das man entstauben und zeitgemäßer inszenieren könnte. Ich finde „Turandot“eine gute Oper, aber ich weiß nicht, ob das eine gute Einstiegsdroge wäre . . .
(geboren 1965 in Graz) ist ein Regisseur und Autor; 1995/96 Drehbuchausbildung in New York. Für das Kino: unter anderem „Blutrausch“mit Kurt Ostbahn und „Falco – Verdammt, wir leben noch“(2008); für das Fernsehen: „Trautmann“, „Tatort“, „Kommissar Dupin“etc.