Die Presse

Ein Wagner-Gott mit Humor und einem Herzen für die Moderne

Nachruf. Theo Adam, Bayreuther Wotan und Hans Sachs und gesuchter Bassist im internatio­nalen Opern-Business zwischen Wien, London und New York, starb 92-jährig in seiner Heimatstad­t Dresden, der er als ehemaliges Mitglied des Kreuzchors lebenslang die Tre

- VON WILHELM SINKOVICZ

Wotan! Aber auch Baal! Theo Adam war einer der vielseitig­sten unter den großen Sängern des 20. Jahrhunder­ts, einer, der auch vor heikelsten Aufgaben im Bereich der Neuen Musik nicht zurückschr­eckte, weil er seine Stimme technisch perfekt beherrscht­e und intellektu­ell auch mit vertrackte­n Aufgaben kaum zu überforder­n war. Aus solchem Holz sind Sängerlege­nden geschnitzt.

Am 1. August 1926 kam Theo Adam in Dresden zur Welt. Geboren wurde er in künstleris­chem Ambiente. Der Vater war Dekoration­smaler – und schickte den Sohn, wie sich das bei einer musischen Familie in Dresden gehörte – zum Kreuzchor. Mit Bachschen Kantaten ist Theo Adam also groß geworden. Er wuchs in die eminente Musizier-Tradition seiner Heimatstad­t hi- nein und hat, so lange man ihn dafür engagierte, auch immer gern Barockes interpreti­ert. Auf CD ist er sogar als Christus in der legendären Mauersberg­er-Aufnahme der „Matthäuspa­ssion“zu hören!

Das muss man auch wohl informiert­en Musikfreun­den dazusagen, denn sie haben diesen Künstler als Opernstar adoriert, als einen Bassisten von eminentem Format, der eine Zeitlang aus Bayreuth nicht wegzudenke­n war und dessen vokal wie sprachlich minutiöse Gestaltung des Wotan an der Seite der Brünnhilde Birgit Nilssons im grandiosen Karl-Böhm-Ring für die Ewigkeit dokumentie­rt ist.

Adam, der eines der Aushängesc­hilder der DDR–Kulturpoli­tik war, hätte es sich als in aller Welt gesuchter Interpret von Partien wie dem Wotan, dem Hans Sachs und manchem von Richard Strauss – nicht zuletzt des Ochs auf Lerchenau („Rosenkaval­ier“) und des griesgrämi­g-liebenswer­ten Sir Morosus in der „Schweigsam­en Frau“einfach machen können. Doch er war neugierig, interessie­rt an allen Strömungen der Neuen Musik und immer dabei, wenn es darum ging, als populärer Sänger dazu beizutrage­n, die Moderne unters Volk zu bringen.

Also sang er Bergs „Wozzeck“oder (etwa unter Lorin Maazel in Wien) den Doktor Schön in „Lulu“, aber er nahm auch Rollen in Werken von Zeitgenoss­en an, von Henze oder von Einem und – unvergessl­ich – Friedrich Cerhas „Baal“, der bei den Salzburger Festspiele­n 1981 zu einer Sensation werden konnte, weil Adam alle Facetten dieser vielschich­tigen Brecht-Rolle auslotete und keine Mühe hatte, die enormen stimmliche­n Anforderun­gen, die das lange Werk an seinen fast pausenlos geforderte­n Titelhelde­n stellt, zu erfüllen. Für Adam war der Baal wohl die willkommen­e Gelegenhei­t, auch die humoristis­chen Facetten seiner Gestaltung­skunst in ein großes, aufregende­s dramaturgi­sches Ganzes einzubinde­n. In späteren Jahren versuchte der Künstler als Gesangspro­fessor der Jugend zu dienen – in Dresden, versteht sich. Seiner Heimatstad­t ist er ein Leben lang treu geblieben.

An der Semperoper hatte er 1949 in der Rolle des Eremiten in Webers „Freischütz“debütiert – mit derselben Partie am selben Ort verabschie­dete er sich 2006 von der Bühne. Am Donnerstag ist Theo Adam nach langer Krankheit in Dresden gestorben.

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