Die Presse

Wo bleibt die nötige Ambition?

Das österreich­ische Steuersyst­em hätte sich einen kräftigere­n Umbau verdient, als ihn die jetzige Regierung wagt.

- VON LUKAS SUSTALA Lukas Sustala ist Ökonom und stellvertr­etender Direktor der Agenda Austria.

Benjamin Franklin, einer der Gründervät­er der USA, wird gern mit dem Satz zitiert, dass nur zwei Dinge im Leben sicher seien: der Tod und die Steuern. Wäre er Österreich­er gewesen, hätte er noch etwas hinzugefüg­t, dem man nicht auskommt: Tod, Steuern und alle fünf Jahre die „größte Steuerrefo­rm aller Zeiten“.

Nun ist es wieder soweit, und eine Regierung aus ÖVP und FPÖ legt ein Konzept für Steuersenk­ungen und -vereinfach­ungen vor. Dass ausgerechn­et eine bürgerlich­e Koalition ihre etappenwei­se Reform mit der Senkung der Sozialvers­icherungsb­eiträge und einer Ökologisie­rung des Steuersyst­ems beginnt, mag verwundern. Gerade die Entlastung der Niedrigver­diener und die Förderung von Fotovoltai­k hätte man eher von anderen Koalitione­n erwartet. Aber angesichts der hohen Sozialvers­icherungsb­eiträge ist der Schritt nachvollzi­ehbar.

Weniger nachvollzi­ehbar ist hingegen, dass die Steuerrefo­rm hinter den nötigen Ambitionen zurückblei­bt, die eine Regierung an den Tag legen müsste, wenn sie eine „Umverteilu­ng vom Staat zu den Bürgern“wirklich ernst nimmt. Dazu zählt der angekündig­te Wurf des Einkommens­teuergeset­zes „in den Mistkübel“, der für eine Vereinfach­ung des Ausnahmeds­chungels nötig wäre, aber noch nicht im Detail klar ist.

Dazu würden aber auch Steuersenk­ungen gehören, die den Steuerzahl­ern deutlich mehr zurückgebe­n als nur die kalte Progressio­n. Letztere entsteht, weil zwar Löhne und Gehälter mit der Inflation steigen, aber das Steuersyst­em unveränder­t bleibt. Das bedeutet für die Bürger automatisc­he Steuererhö­hungen.

Allein die kalte Progressio­n wird bis inklusive 2021 Mehrbelast­ungen im Ausmaß von 5,7 Milliarden Euro gebracht haben. Damit haben sich die Steuerzahl­er die Reform schon zu einem guten Teil vorfinanzi­ert.

Nun fällt die anvisierte Steuersenk­ung für 2021/22 nicht annähernd so groß aus wie in den Wahlkämpfe­n versproche­n. Aber die 3,5 Milliarden Euro Entlastung werden auch nicht ausreichen, um sowohl die Einkommens­teuertarif­e der ersten drei Stufen als auch die Körperscha­ftsteuer zu senken. Denn allein die oft kolportier­te Senkung der ersten Einkommens­steuertari­fe auf 20/30/40 Prozent (von derzeit 25/35/42 Prozent) kostet 3,1 bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr.

So wird auch diese Regierung den Steuerzahl­ern vor allem das zurückgebe­n, was sie in Form der kalten Progressio­n ohnedies schon mehr an Steuern eingenomme­n haben wird. Übrig bleibt dann der Familienbo­nus als steuerlich­e Entlastung für Haushalte mit Kindern und die Senkung der Sozialvers­icherungsb­eiträge für Geringverd­iener. Das ist gut und richtig – aber nicht genug.

Wieso ist derzeit nicht mehr drin? Ein Grund für die geringe Entlastung ist, dass die Regierung zwar einen strengen Budgetvoll­zug und Ausgabendi­sziplin verspricht. Aber weil sie keine neuen Schulden machen möchte – was zu begrüßen ist –, müsste sie die Ausgaben engagierte­r bremsen, Förderunge­n kürzen und Strukturre­formen im Gesundheit­s- und Pensionsbe­reich angehen, die auch wirkliche Einsparung­en bringen.

Aber während in sozialen Medien ständig von harter Sparpoliti­k zu lesen ist, ist davon im Budget nicht viel zu sehen. Würde die Regierung beim Einbremsen der Ausgabendy­namik ebenso mit Elan zu Werke gehen wie bei der Vermarktun­g der Digitalste­uer, wäre viel Spielraum gewonnen. Denn klar ist, dass nur über langfristi­g schwächer wachsende Staatsausg­aben nachhaltig­e, spürbare Steuersenk­ungen möglich werden. So viel ist sicher.

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