Wo bleibt die nötige Ambition?
Das österreichische Steuersystem hätte sich einen kräftigeren Umbau verdient, als ihn die jetzige Regierung wagt.
Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA, wird gern mit dem Satz zitiert, dass nur zwei Dinge im Leben sicher seien: der Tod und die Steuern. Wäre er Österreicher gewesen, hätte er noch etwas hinzugefügt, dem man nicht auskommt: Tod, Steuern und alle fünf Jahre die „größte Steuerreform aller Zeiten“.
Nun ist es wieder soweit, und eine Regierung aus ÖVP und FPÖ legt ein Konzept für Steuersenkungen und -vereinfachungen vor. Dass ausgerechnet eine bürgerliche Koalition ihre etappenweise Reform mit der Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und einer Ökologisierung des Steuersystems beginnt, mag verwundern. Gerade die Entlastung der Niedrigverdiener und die Förderung von Fotovoltaik hätte man eher von anderen Koalitionen erwartet. Aber angesichts der hohen Sozialversicherungsbeiträge ist der Schritt nachvollziehbar.
Weniger nachvollziehbar ist hingegen, dass die Steuerreform hinter den nötigen Ambitionen zurückbleibt, die eine Regierung an den Tag legen müsste, wenn sie eine „Umverteilung vom Staat zu den Bürgern“wirklich ernst nimmt. Dazu zählt der angekündigte Wurf des Einkommensteuergesetzes „in den Mistkübel“, der für eine Vereinfachung des Ausnahmedschungels nötig wäre, aber noch nicht im Detail klar ist.
Dazu würden aber auch Steuersenkungen gehören, die den Steuerzahlern deutlich mehr zurückgeben als nur die kalte Progression. Letztere entsteht, weil zwar Löhne und Gehälter mit der Inflation steigen, aber das Steuersystem unverändert bleibt. Das bedeutet für die Bürger automatische Steuererhöhungen.
Allein die kalte Progression wird bis inklusive 2021 Mehrbelastungen im Ausmaß von 5,7 Milliarden Euro gebracht haben. Damit haben sich die Steuerzahler die Reform schon zu einem guten Teil vorfinanziert.
Nun fällt die anvisierte Steuersenkung für 2021/22 nicht annähernd so groß aus wie in den Wahlkämpfen versprochen. Aber die 3,5 Milliarden Euro Entlastung werden auch nicht ausreichen, um sowohl die Einkommensteuertarife der ersten drei Stufen als auch die Körperschaftsteuer zu senken. Denn allein die oft kolportierte Senkung der ersten Einkommenssteuertarife auf 20/30/40 Prozent (von derzeit 25/35/42 Prozent) kostet 3,1 bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr.
So wird auch diese Regierung den Steuerzahlern vor allem das zurückgeben, was sie in Form der kalten Progression ohnedies schon mehr an Steuern eingenommen haben wird. Übrig bleibt dann der Familienbonus als steuerliche Entlastung für Haushalte mit Kindern und die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener. Das ist gut und richtig – aber nicht genug.
Wieso ist derzeit nicht mehr drin? Ein Grund für die geringe Entlastung ist, dass die Regierung zwar einen strengen Budgetvollzug und Ausgabendisziplin verspricht. Aber weil sie keine neuen Schulden machen möchte – was zu begrüßen ist –, müsste sie die Ausgaben engagierter bremsen, Förderungen kürzen und Strukturreformen im Gesundheits- und Pensionsbereich angehen, die auch wirkliche Einsparungen bringen.
Aber während in sozialen Medien ständig von harter Sparpolitik zu lesen ist, ist davon im Budget nicht viel zu sehen. Würde die Regierung beim Einbremsen der Ausgabendynamik ebenso mit Elan zu Werke gehen wie bei der Vermarktung der Digitalsteuer, wäre viel Spielraum gewonnen. Denn klar ist, dass nur über langfristig schwächer wachsende Staatsausgaben nachhaltige, spürbare Steuersenkungen möglich werden. So viel ist sicher.