Der größte Unsinn „aller Zeiten“sind die Fake News der Politiker
Medien sollten sich der Superlativsucht in der Politik verweigern. Das Größte und Beste ist meist nicht überprüfbar. Die Bürger werden nur hinters Licht geführt.
Nun kommt sie also wieder, die „größte Steuerreform aller Zeiten“, gleich nach der „größten Familienentlastung aller Zeiten“. Dieser Unsinn mit den Superlativen in der Politik hat allerdings keine Parteifarbe und keine Landesgrenzen. Es gab ihn schon in jeder Kombination: in Rot, RotSchwarz, Schwarz–Blau, Türkis, Grün.
Er ist deshalb so ärgerlich, weil sich die zeitlich unbegrenzte Behauptung, die nonchalant in der Politik aufgestellt wird, jeder Überprüfung entzieht. Wie spürt man Reformen jeglicher Art bis in „alle Zeiten“auf? Die Vermeidung konkreter Zeitangaben hat natürlich den Vorteil, dass die Feststellungen nicht zu widerlegen sind. Hieße es die „größte Reform“der letzten 50 Jahre, so könnte das überprüft und anhand von Fakten bestätigt oder korrigiert werden.
Aber genau dies will die Politik vermeiden. Damit produzieren Politiker aber genau jene Fake News, die sie allerorts seit geraumer Zeit den Medien vorwerfen. Dass die Superlative nämlich so stimmen, wie sie von Politikern propagiert werden, ist auszuschließen. Sie können nur deshalb unter die Leute gebracht werden, weil sie von den Medien meist einfach so übernommen und in die Schlagzeilen gehievt werden. Selbst wenn sie einmal mit einer zeitlichen Begrenzung versehen wurden, wie 2015 mit der „Zweiten Republik“, unterblieb der Faktencheck.
So entsteht die perverse Situation, dass diejenigen, die sich über die Fake News der anderen beklagen, mit ihrer verhängnisvollen Liebe zu Superlativen die meisten davon selbst produzieren. Und den Medien ganz eigenhändig Falschmeldungen liefern. Darüber wollen sie sich dann aber nicht erregen.
Ähnlich geht es nämlich auch in anderen Bereichen zu: Wie viel Wahrheit steckt in der Behauptung, ein Land habe die „beste“Familienpolitik, die „ambitionierteste“Energiepolitik Europas, der Welt etc. Solche Behauptungen wären allerdings nachprüfbar. Allein, fast alle Medien ersparen sich die Mühe. Sie könnten den Unsinn abstellen, indem sie einfach nicht mehr über Superlative berichten. Oder, wenn sie in den elektronischen Medien unters Volk geworfen werden, nach Beweisen fragen.
Der Unsinn ist allerdings auch nicht auf ein Land oder wenige Staaten beschränkt. Der Master of Fake News in dieser Hinsicht sitzt im Weißen Haus. Zwar sind die US-Medien dazu übergegangen, Donald Trump minutiös die Lügen in seinen Reden nachzuweisen, doch gegen Superlative sind auch sie hilflos.
Bei selbsthuldigenden Sätzen wie „Ich glaube wirklich, dass die ersten 100 Tage meiner Regierung die erfolgreichsten in der Geschichte unseres Landes waren“ginge ein Check vielleicht noch – in unserer schnelllebigen medialen Welt allerdings unter erheblichem Aufwand, der die Prüfung vielleicht gar nicht wert ist. Besser wäre es, diesen Satz gar nicht erst zu verbreiten. Ganz aktuell könnte man Trump vielleicht dazu bringen, den Beweis für die Behauptung „Niemand baut eine Mauer besser als ich“anzutreten. Auch kann es leicht widerlegt werden, dass „niemand Frauen mehr respektiert“als er, Trump.
Bei Trumps Selbstverliebtheit kämen die Medien mit dem Widerspruch gar nicht nach. Das hat jedoch mit normaler Politik nichts zu tun.
Diese käme auch ganz gut ohne Übertreibungen aus. Ein Beispiel: ÖVPChef Sebastian Kurz kündigte jüngst für die EU-Wahl ein Vorzugsstimmensystem an: „Das bedeutet, wir werden als Volkspartei unsere Kandidatenlisten erstellen, aber die Wähler haben selbst die Chance zu entscheiden, wen sie als ihren Vertreter und Abgeordneten im Europäischen Parlament haben wollen.“Das mobilisiert Wähler, das erspart der ÖVP ein Dilemma um Othmar Karas. Bei den letzten beiden EU-Wahlen hatte er die meisten Vorzugsstimmen bekommen.
Das mag vielleicht nicht „die beste Idee aller Zeiten“sein, was Kurz auch gar nicht behauptet. Aber sie ist gut. Sie ist clever. Das reicht doch.