Ingenieure von morgen
Lässt sich das Interesse an Technik bei Acht- bis 14-jährigen Kindern und Jugendlichen spielerisch steigern? Ein Versuch agiler Projektarbeit an fünf Wiener Schulen.
Wird es technisch, ist Wilfried Lepuschitz in seinem Element. Das war schon in seiner Schulzeit so. Am Gymnasium in Wien Währing paukte er Mitte der Neunzigerjahre Sprachen, aber noch lieber Physik und Mathematik. Seine Dissertation zum Thema flexible Steuerung von Fabriken an der TU Wien schrieb er, da war er bereits UniAssistent. Heute gibt er die Begeisterung für die Technik als Geschäftsführer des Robotik-Forschungsinstituts Pria weiter. Der Verein greift der Industrie in Projekten bei der Digitalisierung unter die Arme. Er will aber auch durch besondere Lernaktivitäten an Schulen früh die Weichen für mehr Techniknachwuchs stellen. Im vom Technologieministerium geförderten Projekt Makers@School, das Lepuschitz koordiniert, stehen deshalb Wiener Schüler im Alter von acht bis 14 Jahren im Mittelpunkt. Agile Methoden der Innovations-, Team- und Projektarbeit, an jene der Elitehochschulen MIT und Stanford University angelehnt, sollen rund 200 Kinder pro Schuljahr – drei an der Zahl – zu kleinen Innovationsathleten formen. Ziel ist dabei nicht die Vermittlung von technischem Expertenwissen. Es geht vielmehr um den Spaß an der Technik und Wissenschaft. „Wir wollen einen Teaser bilden, damit die Kinder später einmal eine technische Karriere in Betracht ziehen“, sagt Lepuschitz.
Der Blick gilt also auch der Lücke bei den hochqualifizierten MintFachkräften. Tausend solcher Spezialisten sollen in Österreich fehlen. Mit an Bord des Projekts sind Experten von Pria, den Vereinen Maker Austria und DigitalCity.Wien sowie Forscher der TU Wien. Fünf Schulen – zwei neue Mittelschulen, zwei Volksschulen sowie die Höhere Technische Bundeslehranstalt TGM – sagten ihre Teilnahme zu. Wie im ersten Durchgang 2017/18 nehmen auch im laufenden Schuljahr Kinder aus acht Klassen bei fünf Vormittagsworkshops im Ausmaß von insgesamt 18 Unterrichtsstunden – meist vor Ort bei den Projektpartnern – teil. Die Inhalte: Projektmanagement, Innovieren, Softwareprogrammierung, 3D-Druck und Bearbeitungstechniken wie Laserschneiden. „Jetzt im Jänner starten die Kinder in Kleingruppen mit der Entwicklung ihres kleinen Produkts im Ausmaß von weiteren fünf bis zehn Stunden“, heißt es im Projekt.
Herangezogen wird ein kindgerechtes Regelwerk auf Basis des Konstruktivismus. Entwickelt hat es die TU-Forscherin Lara Lammer. „Das Erleben des Kindes in spielerischer Umgebung steht im Vordergrund“, sagt sie. Im Vorjahr designten und programmierten die Kinder kleine fahrbare Roboter. Diese mussten sie allerdings mit Schülern anderer Klassen teilen. Heuer sind es an die Kleidung anheftbare Schrittzähler mit programmierbarem Controller, die die Gruppen ganz für sich allein entwickeln dürfen. „Ein wesentlicher Motivator“, schildert Projektleiter Wilfried Lepuschitz. Sogar deren Kunststoffhülle fertigen die Kinder mittels 3D-Druck großteils selbst.
Wie aber bewältigen die Pädagogen den Balanceakt, Innovatives zu erproben und den Lehrplan dennoch vernünftig durchzubringen? „Als Ganztagsschule ist es schon einfacher, neue, innovative Formate in den schulischen Alltag einzubauen“, sagt Susanne Leitner, seit 2001 Direktorin der Volksschule Adolf-Loos-Gasse. Probleme im Zeitmanagement sieht auch Alexandra Dvorak, Lehrerin an der Schule in Wien Floridsdorf, nicht: „Das Wundervolle an der Volksschule ist ja, den Unterricht disziplinübergreifend rund um spannende Themen gestalten zu können“, sagt sie. Im Mai sollen die Schüler ihre Produkte nun bei Schulkonferenzen präsentieren dürfen. Das Feilen an eigenen Lösungen dürfte bei den Kindern jedenfalls ankommen. Bei einer Evaluierung per Fragebogen unter 175 Kindern im Schuljahr 2017/18 gaben 94 Prozent an, nun neugieriger darauf zu sein, wie alltägliche Geräte und Maschinen funktionieren. Und fast jeder zweite Schüler (49 Prozent) gab an, das Interesse an einer technischen Ausbildung sei jetzt größer.