Die Presse

„Stark genug, um mich zu wehren“

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Eine bürgerlich­e Dame, Psychologi­n und „persönlich nicht betroffen“, stand da mit ihrem mondgesich­tigen Neffen, der in Frankreich zur Schule geht: „Ich bin elfeinhalb Jahre, sollte mich nicht dafür interessie­ren, wollte aber mitgehen. Ich verfolge auch die Gelbwesten. Das hier ist viel besser. Fenstersch­eiben einschlage­n, das ist nicht normal.“Auch ein reifer Herr – Baubranche, Kinderwage­n, junge Frau – fürchtete das Gesetz nicht: „Ich bin alt und stark genug, um mich zu wehren.“Das Paar warf der Regierung etwas anderes vor: „Kinder müssen schon mit drei Jahren in den Kindergart­en, ob die Eltern das wollen oder nicht.“Eine junge Frau, deren Eltern vom Land angereist waren, war ebenso wenig betroffen: „Ich mache viel mehr als 400 Überstunde­n, denn ich kümmere mich rund um die Uhr um meinen behinderte­n Sohn. Ich will, dass das als Arbeitsver­hältnis anerkannt wird.“

Ein Mittelschü­ler aus einer Kleinstadt lehnte zunächst ein Interview ab, „dann geben mir meine Fidesz-Lehrer schlechte Noten“. Er schimpfte auf die „Propaganda“des Staatsfern­sehens: „Heute melden sie sicher, die Leute hier haben die Weihnachts­beleuchtun­g bewundert.“Neben ihm seine Oma, Putzfrau in einer Schule. Sie erwartete, zu noch mehr Überstunde­n gezwungen zu werden.

Die Demo zog durch die Einkaufsme­ile Andra´ssy u´t, junge Shopping-Asiatinnen flanierten zu Louis Vuitton. Ich wechselte auf den Gehsteig. Die Demo erschien mir als bunte soziale Mischung, freilich von der Budapester Intelligen­zija dominiert. Aus einem Palais traten einige ältere Anstreiche­r heraus, das schwere Gewand mit weißer Farbe beschmiert. Ich schaute gebannt hin: Wie reagieren echte Arbeiter auf eine Kundgebung für ihre Rechte? Einer der Anstreiche­r ging ein Stück auf die Demonstran­ten zu mit vorgereckt­em

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