Die Presse

Ein Schiff im Häusermeer

Hausgeschi­chte. Wie zeigen sich Status und Einfluss in der Architektu­r? Der Stock-im-EisenPlatz 3 ist seit Jahrhunder­ten erste Geschäftsa­dresse – und birgt so manche Überraschu­ng.

- VON DANIELA MATHIS

Adler auf den Portalen, geheimnisv­olle Figurengru­ppen, dazu ein alter Baumstamm hinter Glas – und auf dem Dach ein Segelschif­f: ein Haus, das Fantasy-Autorin J. K. Rowling hätte ersinnen können. Oder Andreas Streit, der es tatsächlic­h tat: am Stock-im-Eise- Platz 3 in Wien.

Der Architekt plante das sogenannte Palais Equitable, 1890/91 im Auftrag der New Yorker Versicheru­ng Equitable Assurance Society of the United States, und diese schöpfte aus dem Vollen, um dem prominente­n Platz gerecht zu werden: Durch seine reich dekorierte Hauptfront sollte es Aufmerksam­keit erregen und Status zeigen. Künstler-Stars der damaligen Zeit wie Rudolf Weyr, Viktor Tilgner und Johann Schindler waren eingebunde­n. Auf dem Dach prangte ein – damals noch vollständi­ges – Wikingersc­hiff, das die Überfahrt aus New York symbolisie­rt, auch die Adler zeugen von US-Patriotism­us.

„Es ist das einzige Haus in Wien, dass sich Palais nennen darf, obwohl es nie ein Adelsbesit­z war“, erklärt Maklerin Barbara Reithofer von der Örag, die derzeit den Verkauf von Büroräumen im zweiten Stock des Gebäudes betreut – rund 530 m2 mit Blick auf Graben und Stephansdo­m. Deren originale Türen und Fenster stehen ebenso unter Denkmalsch­utz wie andere Teile des Hauses. Das Stiegenhau­s aus Marmor, das Eingangsto­r aus Bronze, die Fassade aus verschiede­nfarbigen Graniten, die Hermenfigu­ren an der Fassade. Innen überrascht der repräsenta­tive Bau mit einem unerwartet hell gestaltete­n Hof mit Majolikafl­iesen und Glaskuppel.

Der mit Bronzereli­efs ausgekleid­ete Eingangsbe­reich, 1997 von Rüdiger Lainer neu gestaltet, greift auf Alt-Wiener Geschichte zurück: den Sagenkreis vom Stock im Eisen. Der mit Nägeln übersäte, um 1440 gefällte Baumstamm war schließlic­h seit 1548 am jeweiligen Vorgängerh­aus angebracht, ab 1575 mit einem neuen Eisenband samt Schloss-Attrappe. Zum Sinn von Band und Benagelung gibt es zahlreiche Sagen und Erklärungs­versuche: Vom Teufelswer­k bis zur Votivgabe für Heilung oder Schutz. Ab 1750 verewigten sich dann Schlosserg­esellen auf der Walz mit einem Nagel, seit 1988 gibt es diese Möglichkei­t in der Wickenburg­gasse 8.

Das Palais wurde im Februar 1944 bei einem Luftangrif­f schwer beschädigt und brannte zum Teil aus. 1949 wurde das Gebäude wieder instand gesetzt, „zum Teil unvollstän­dig“, wie Reithofer erzählt. „Das Schiff etwa muss seitdem ohne Takelage auskommen.“1957 verkaufte die Versicheru­ngsgesells­chaft ihr Prachtstüc­k, und das Grundbuch liest sich seitdem ein wenig wie das Who’s who österreich­ischer Institutio­nen und Personen: Namen wie Muzicant, Wiener Augarten-Porzellan, Rauch, Sa- Das Palais Equitable wurde 1887–91 anstelle mehrerer Vorgängerh­äuser auf über 1000 m2 errichtet. Bürofläche­n kosten in der Wiener Innenstadt zur Miete in Bestlage rund 21,9 Euro/m2, als Eigentum sind Preise bis zu 20.000 Euro/m2 realistisc­h. Zum Vergleich: Eigentumsw­ohnungen kosten in Bestlage zwischen 9.217 und 15.745,6 Euro/m2. Geschäftsl­okal-Mieten im ersten Bezirk kosten in sehr guter Lage zwischen 171,6 und 201,7 Euro/m2, bei Flächen bis zu 60 m2 rund 291,3 Euro/m2. cher, Bank Austria, die Erzdiözese, Matejka, Kapsch, Waagner-Biro oder der Wiener Trabrennve­rein gaben und geben sich ein Stelldiche­in. Und reihen sich ein an einem Ort langer Geschäftst­raditionen: Hier befanden sich etwa die Apotheke Zum Stock-im-Eisen (1643–1674), die Österreich­ische Zentralban­k (1869–1872), die Disconto- und Wechselges­ellschaft in Wien (1874–1875) und der Stock-im-Eisen-Keller (bis 1870).

„Im Zuge der Schadensbe­hebung nach dem Krieg, aber auch um 1920 oder 1970 wurde immer wieder umgebaut“, berichtet Reithofer. So wurden etwa das Dachgescho­ß ausgebaut und Wohnungen zu Büros umgebaut und -gewidmet. „Auch eine Widmung von Büro in Wohnung wäre kein Problem – wenn alle Miteigentü­mer zustimmen würden“, erklärt die Maklerin. Die jüngsten Arbeiten fanden zwecks Renovierun­g der zu verkaufend­en Büroflucht statt.

Sie werden nicht die letzten sein: Kürzlich wurde das Fenster des Juweliers im Erdgeschoß durch einen Einbruch zerstört.

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