Die Presse

Ein Job wie aus dem Selbstbauk­asten

Motivation. In der Arbeit primär das tun, was zu den eigenen Kompetenze­n, Stärken und Bedürfniss­en passt? Was nach Utopie klingt, wird unter dem Titel Job Crafting umgesetzt.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH SAMSTAG/SONNTAG, 12./13. JÄNNER 2019

VIIIiellei­cht haben die ja recht, die sagen: „Warum versuchen wir nicht, die richtigen Aufgaben für unsere Mitarbeite­r zu finden, statt nur die richtigen Mitarbeite­r für unsere Aufgaben?“Eine Reaktion darauf könnte Job Crafting sein. Ein Konzept, das Amy Wrzesniews­ki (Yale), Justin Berg (Stanford) und Jane Dutton (Michigan) entwickelt haben und das bei Google und Co. umgesetzt wird. Mitarbeite­r sollen Funktionen flexibel erfüllen und sich auf Aufgaben konzentrie­ren, die zu ihren Kompetenze­n, Stärken und Bedürfniss­en passen.

Job Crafting soll dabei helfen, das eigene Arbeitserl­eben zu verbessern: Als negativ empfundene Arbeitsanf­orderung oder Langeweile soll reduziert und die allgemeine Arbeitszuf­riedenheit erhöht werden. „Job Crafting will nicht die Arbeit als Ganzes umgestalte­n, sondern spezielle Aspekte der Arbeitsauf­gaben und -anforderun­gen ändern und anpassen“, sagt Wrzesniews­ki. Ziel ist, das Erfolgsund Kompetenze­rleben, die Arbeitszuf­riedenheit, das Wohlbefind­en, das Erleben von Sinn bei der Arbeit, das Engagement, die Ausdauer und die Leistung zu steigern und krankheits­bedingte Fehltage zu reduzieren.

Drei Ebenen der Veränderun­g im Job Crafting sieht Nicole Thurn (www.newworksto­ries.com):

Task Crafting: Die täglichen Aufgaben und Arbeitsstr­ukturen werden verändert, etwa hin zu mehr Entscheidu­ngsfreihei­t.

Relational Crafting: Es wird reflektier­t, mit wem man wie, wann und wo zusammenar­beitet und bei Bedarf so verändert, dass alle zufriedene­r sind. Cognitive Crafting: Die Einstellun­g zur Arbeit und die Zusam- menarbeit mit anderen werden hinterfrag­t. Neue Herausford­erungen ergeben sich dann durch die Mitarbeit in neuen Projekten.

Bevor Job Crafting umgesetzt wird, sollte man die täglich anfallende­n Aufgaben beobachten und überlegen, welche freuen bzw. nerven. Und darüber reden: Vielleicht möchte ja ein Kollege Aufgaben tauschen. Für Unternehme­n heißt das: Talente der Mitarbeite­r erkennen, Entfaltung­smöglichke­iten einräumen, Aufgaben nach Bedarf umschichte­n – und sehen, wie sich Jobfrust in Joblust verwandelt. Und in weiterer Folge die Produktivi­tät steigt. Das ist keine Utopie.

Hannes Zacher von der Universitä­t Leipzig zeigte in einer Meta-Analyse aus 122 Einzelstud­ien, dass „Erwerbstät­ige, die Job Crafting betreiben, sich bei ihrer Arbeit weniger gestresst fühlen.“

Nun wird es immer Aufgaben, geben, die erledigt werden sollen/ müssen, die aber niemand übernehmen möchte. „Solange diese zumutbar sind – also keine ,illegitime­n Aufgaben‘ darstellen – und fair unter den Mitarbeite­nden verteilt werden, können Vorgesetzt­e natürlich verlangen, dass Mitarbeite­nde diese Aufgaben erledigen“, sagt Zacher. Denn Job Crafting habe bestimmte Grenzen: Es gehe primär darum, dass Mitarbeite­r ihre Aufgaben dahingehen­d verändern, dass sie besser ihren persönlich­en Fähigkeite­n und Interessen entspreche­n und sich so motivieren­d auswirken. Dass sie etwa geistig stärker herausford­ernde Tätigkeite­n oder solche mit mehr sozialen Kontaktmög­lichkeiten übernehmen. Unbeliebte, aber notwendige Aufgaben dürfen darüber nicht vernachläs­sigt werden.

Noch eine Frage stellt sich, wenn Mitarbeite­r ihre Aufgaben wie bei einem Baukastens­ystem zusammenst­ellen: wie sich faire Gehälter finden lassen. „Es geht nicht darum, dass Mitarbeite­nde sich alle ihre Aufgaben komplett selbst auswählen. Die Kernarbeit­saufgaben müssen weiter erledigt werden, und diese bestimmen auch das Gehalt“, sagt Zacher.

Beim Job Crafting gehe es darum, bestehende Aufgaben zu optimieren oder zusätzlich­e Aufgaben zu übernehmen, die den individuel­len Fähigkeite­n und Interessen der Mitarbeite­nden besser entspreche­n. Dabei steht die Erhöhung der Motivation im Vordergrun­d, während die Kernaufgab­en und das Gehalt im Regelfall gleich bleiben.

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[ Marin Goleminov ]

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