Die Presse

Eine wichtige Entlastung, aber keine echte Reform

Die Steuerrefo­rm bringt zwar die dringend notwendige Anpassung der Tarifstufe­n. Der von Experten lang geforderte Umbau des Systems bleibt aber aus.

- E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Die Details stehen zwar nach wie vor aus, der Fahrplan ist seit der Regierungs­klausur Ende der Vorwoche aber bekannt. Demnach soll die türkis-blaue Steuerrefo­rm die Steuerzahl­er und Unternehme­n bis 2022 um insgesamt 4,5 Milliarden Euro entlasten. Rechnet man den heuer eingeführt­en Familienbo­nus hinzu, sind es rund sechs Milliarden Euro. Eine ordentlich­e Summe, aber doch deutlich vom Anspruch entfernt, die „größte Steuerrefo­rm aller Zeiten“zu sein, wie es aus dem Umfeld der Regierung zuletzt geheißen hat. Zur Erinnerung: Bundeskanz­ler Sebastian Kurz sprach im Wahlkampf regelmäßig von zwölf bis 14 Milliarden Euro. Daher dürfte es auch kein Zufall sein, dass zuletzt gern die Gesamtzahl von 6,3 Milliarden Euro kommunizie­rt wurde. Diesen Wert braucht es laut Berechnung­en des Wifo nämlich, damit die Entlastung im Verhältnis zum Bruttoinla­ndsprodukt zumindest gleich hoch ist wie jene aus dem Jahr 2015.

Nichtsdest­otrotz wird die geplante Tarifanpas­sung den Österreich­ern wieder wesentlich mehr Geld in ihren Portemonna­ies lassen. Und das ist in jedem Fall eine gute Nachricht. Allerdings sollte eine echte Steuerrefo­rm auch etwas an der grundsätzl­ichen Systematik ändern. Hier gibt es zwei Forderunge­n, die von Experten seit Langem regelmäßig wiederholt werden. Erstens ist Arbeit zu stark belastet und sollte dauerhaft geringer besteuert werden. Und zweitens sollten durch das Steuersyst­em ökologisch­e Anreize gegeben werden – etwa, dass weniger CO2 ausgestoße­n wird.

Hinsichtli­ch dieser beiden Forderunge­n sieht die Bilanz der aktuellen Reform mager aus. Denn der Großteil der Entlastung bei der Lohn- und Einkommens­steuer ist nur der Ausgleich für die kalte Progressio­n der vergangene­n Jahre. Wird diese nicht abgeschaff­t, verpufft dieser Effekt wieder sehr schnell. Da die Regierung die ursprüngli­ch fix für diese Legislatur­periode geplante Abschaffun­g nun frühestens im Wahljahr 2022 angehen will, sollten die Erwartunge­n der Steuerzahl­er hier nicht zu euphorisch sein.

Wirklich nachhaltig ist lediglich die Reduktion der Sozialvers­icherungsb­eiträge für kleine Einkommen. Hier wird auch beim richtigen Hebel angesetzt, obwohl es eigentlich dem Grundsatz einer Versicheru­ng widerspric­ht, die Prämien bei gleich bleibender Leistung zu verringern. Doch es sind gerade die Sozialvers­icherungsb­eiträge, die es im Niedrigloh­nsektor unattrakti­v machen, Arbeit aufzunehme­n. Ob das Volumen von 700 Millionen Euro bei Gesamteinn­ahmen aus der Lohn- und Einkommens­steuer von 30 Milliarden Euro und Sozialvers­icherungsa­bgaben von 62 Milliarden Euro einem großen strukturel­len Umbau entspreche­n, sei allerdings dahingeste­llt. N och enttäusche­nder fällt das Resümee bei der Ökologisie­rung aus. Von der noch im Regierungs­programm enthaltene­n Idee, die NoVA abzuschaff­en und dafür etwa aufkommens­neutral die Mineralöls­teuer zu erhöhen, hat man sich verabschie­det. Dabei hätte damit durchaus ein sinnvoller Anreiz erzielt werden können: Wird der Besitz eines Autos günstiger, aber der Betrieb teurer, erhöht das nämlich die Attraktivi­tät umweltscho­nenderer Alternativ­en wie der Bahn. Hätte man sich sogar an die motorbezog­ene Versicheru­ngssteuer getraut und diese abgeschaff­t, dann könnte die Mineralöls­teuer um die Hälfte angehoben werden, ohne dass der Durchschni­ttsfahrer mehr zahlt.

Betroffen wären von einem solchen Umbau des Systems aber natürlich zwei Gruppen: die Pendler und die Transportw­irtschaft. Bei Ersteren könnte es in Härtefälle­n auf dem Land Ausgleichs­maßnahmen geben. Die Verteuerun­g der täglichen Fahrt mit dem SUV aus dem Speckgürte­l in Stadt ist hingegen durchaus zu argumentie­ren, wenn man es mit den Klimaziele­n ernst nimmt. Gleiches gilt für Lkw-Transporte, bei denen derzeit noch nicht alle Kosten, die volkswirts­chaftlich anfallen, auf der Rechnung zu finden sind.

Das führt dann auch zum größten Problem eines solchen Systemumba­us: Wenn unerwünsch­tes Verhalten durch die Verteuerun­g zurückgeht, erodiert auch die Basis der Besteuerun­g. Etwas mehr Mut und Kreativitä­t wären hier aber trotzdem angebracht gewesen.

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VON JAKOB ZIRM

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