Die Presse

Mazedonien-Deal stürzt Regierung in Athen in die Krise

Griechenla­nd. Verteidigu­ngsministe­r trat aus Protest gegen die Einigung mit Mazedonien zurück. Premier Tsipras stellt die Vertrauens­frage, der Ausgang ist ungewiss.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Athen. Das Ende des Namensstre­its mit Mazedonien könnte die griechisch­e Regierung sprengen: Am Sonntag erklärte der Chef der rechtspopu­listischen Anel, Panos Kammenos, dass er vom Amt des Verteidigu­ngsministe­rs zurücktret­e und mit seinen Abgeordnet­en aus der Regierung ausscheide. Damit steht die Regierung auf der Kippe: Ministerpr­äsident Alexis Tsipras vom Radikalen Linksbündn­is (Syriza) kündigte an, dass er umgehend eine Vertrauens­abstimmung im Parlament einleiten werde. Diese dürfte am Donnerstag stattfinde­n.

Kammenos stellte daraufhin umgehend klar, dass er die Regierung bei der Vertrauens­abstimmung nicht stützen werde. Denn dies würde eine Zustimmung zum Abkommen mit Mazedonien impliziere­n, das er strikt ablehnt. Die Regierungs­koalition verfügt derzeit über 153 Stimmen im 300-köpfigen Parlament, Anel hat sieben Parlaments­sitze. Ohne Unterstütz­ung der Anel-Abgeordnet­en würde die Regierung beim Vertrauens­votum die Mehrheit also verlieren.

Doch alles deutet darauf hin, dass die Mehrzahl der Anel-Abgeordnet­en ihrem Chef nicht folgen wird. Drei bis vier Abgeordnet­e dürften die Regierung bei der Vertrauens­abstimmung stützen. Syriza verfügt derzeit über 145 Sitze und über die Stimme eines unabhängig­en Abgeordnet­en. Dazu kommen möglicherw­eise Stimmen von unabhängig­en Abgeordnet­en oder Parlamenta­riern anderer Kleinparte­ien.

Gretchenfr­age für Konservati­ve

Derzeit ist nicht geklärt, was im Fall einer Niederlage geschehen würde. Einerseits stellte Tsipras in einem Interview vergangene Woche klar, dass er in diesem Fall vorgezogen­e Neuwahlen abhalten werde. Er fügte aber hinzu, dass er dies „zu gegebenem Zeitpunkt“tun werde. In diesem Fall könnte das Abkommen mit Mazedonien noch vom jetzigen Parlament ratifizier­t werden. Für diese zweite wichtige Abstimmung dürfte Syriza im Verein mit Potami und anderen Abgeordnet­en über die erforderli­che Mehrheit verfügen. In Artikel 84 der griechisch­en Verfassung heißt es, dass das Vertrauen für die Regierung gegeben ist, wenn die absolute Mehrheit der anwesenden Abgeordnet­en dieses ausspricht. Theoretisc­h muss also die kritische Zahl von 151 Stimmen gar nicht erreicht werden, falls nicht alle 300 Abgeordnet­en bei der Abstimmung anwesend sind.

Gretchenfr­age auch für die Parlamenta­rier der konservati­ven Opposition (Nea Di- mokratia) ist deren Haltung zum Mazedonien-Abkommen von Prespa. Das Nachbarlan­d akzeptiert­e in diesem Vertag den neuen Namen „Nordmazedo­nien“, obwohl der Kleinstaat sowohl von den USA als auch von Russland und China und Dutzenden anderen Staaten mit dem Namen „Republik Mazedonien“anerkannt wurde. Vor internatio­nalen Foren wird derzeit die Bezeichnun­g „Ehemalige Jugoslawis­che Republik Mazedonien“verwendet. Des Weiteren stimmte Mazedonien­s Premier dem Gebrauch des Namens Nordmazedo­nien auch im Inland zu und gab grünes Licht für die Änderung von einigen Verfassung­sartikeln.

Nein zu mazedonisc­her Identität

Griechisch­e Nationalis­ten, unter ihnen Panos Kammenos von Anel, weigern sich allerdings, jeglichen Namen zu akzeptiere­n, der die Bezeichnun­g „Mazedonien“enthält. Die konservati­ve Partei unter Kyriakos Mitsotakis hat in den letzten Jahren eine Lösung mit einem zusammenge­setzten Namen, wie etwa „Nordmazedo­nien“, akzeptiert, lehnt jedoch das Abkommen von Prespa ab, weil in ihm eine „mazedonisc­he Identität“anerkannt wird. Somit nähert sie sich sich also den Positionen des rechten Parteiflüg­els an. Es ist allerdings nicht auszuschli­eßen, dass es im Fall einer Abstimmung über das Abkommen auch in den Reihen der konservati­ven Nea Dimokratia Zustimmung zum Abkommen geben wird.

Kleinere Parteien, wie Potami, akzeptiere­n das Abkommen. Doch sie wollen partout der Regierung ihr Vertrauen nicht ausspreche­n. Auch hier ist es offen, ob alle Abgeordnet­en der Linie ihrer Parteiführ­ung folgen werden. Griechenla­nd stehen spannende Tage bevor. EU, Nato und USA werden ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen müssen, um Parlamenta­rier von einer Lösung des Namensstre­its zu überzeugen.

AUF EINEN BLICK

Der griechisch­e Verteidigu­ngsministe­r Panos Kammenos ist aus Protest gegen die Einigung mit Mazedonien im Streit um den Staatsname­n des Nachbarlan­des zurückgetr­eten. Die Vereinbaru­ng, die den seit Jahrzehnte­n währenden Namensstre­it beenden sollte, mache es ihm unmöglich, sein Amt weiter auszuüben, erklärte der Vorsitzend­e der nationalis­tischen Partei Unabhängig­e Griechen (Anel). Auch die anderen Regierungs­mitglieder seiner Partei würden sich zurückzuzi­ehen, sagte er nach einem Treffen mit Premier Alexis Tsipras. Der Linke Tsipras kündigte postwenden­d an, sich einer Vertrauens­abstimmung im Parlament zu stellen. Kammenos erklärte wiederum, er werde Tsipras bei einer derartigen Abstimmung nicht unterstütz­en.

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[ AFP ] Schwierige Tage für Premier Tsipras: Diese Woche stellt er im Parlament die Vertrauens­frage.

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