Die Presse

CBD: Ein Rechtsbruc­h, der keiner ist

Hanfproduk­t. Der Versuch des Sozialmini­steriums, Cannabidio­l-haltige Lebensmitt­el im Erlassweg zu verbieten, ist untauglich. Sich dagegen zu wehren, ist dennoch schwierig.

- VON ANDREAS NATTERER UND MICHAELA POHL Andreas Natterer ist Partner, Michaela Pohl ist Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei Schönherr Rechtsanwä­lte.

Jeder Branche ihren Hype, jedem Hype seine Zeit. Was Bitcoin 2017 für die Finanzbran­che war, ist aktuell Cannabidio­l, kurz CBD, für die Lebensmitt­elbranche. Bevor man auf falsche Gedanken kommt, mit Drogen hat CBD absolut nichts zu tun. Cannabis enthält verschiede­ne sogenannte Cannabinoi­de. Die beiden bekanntest­en sind Cannabidio­l und Tetrahydro­cannabinol (THC). Letzterer Stoff ist psychoakti­v und verantwort­lich für das „High“beim Konsum von konvention­ellem (illegalem) Cannabis. Reines CBD hingegen verursacht keinen Rausch. Was es interessan­t macht, ist seine angeblich analgetisc­he, neuroprote­ktive und entzündung­shemmende Wirkung.

Viele der Cannabidio­l zugeschrie­benen Effekte sind jedoch noch nicht wissenscha­ftlich bestätigt, wie die Österreich­ische Agentur für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it betont. Das schmälert das Interesse der Konsumente­n allerdings nicht.

Weltweit werden unglaublic­he Gewinne durch den Verkauf CBD-haltiger Produkte generiert. Schätzunge­n zufolge soll der Umsatz in den USA in diesem Jahr auf mehr als zwei Milliarden Dollar anwachsen. Lebensmitt­elgroßkonz­erne wie Coca-Cola, deren Konkurrent­in PepsiCo oder auch die Produzente­n von Corona, Guinness und anderen Getränkema­rken liebäugeln mit dem Stoff oder haben schon entspreche­nde Produkte auf dem Markt. Lagunitas, ein Unternehme­n im Besitz des Bierherste­llers Heineken, verkauft in den USA ein CBD-Soda namens Hi-Fi Hops.

Auch hierzuland­e ist der Trend deutlich spürbar, gibt es doch schon weit über 200 Unternehme­n, die sich dem Handel mit CBD-Produkten verschrieb­en haben. Doch damit soll nun Schluss sein. Das Sozialmini­sterium hat im Dezember den Verkauf von CBD- Extrakten und Lebensmitt­eln, die solche Extrakte enthalten, mit einem Erlass generell „verboten“oder besser: zu verbieten versucht.

Nach dem Erlass seien Lebensmitt­el mit CBD nämlich als neuartige Lebensmitt­el gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 („NovelFood-VO“) zu betrachten und dürfen daher nur nach erfolgter Zulassung durch die EU-Kommission gehandelt werden. Da noch keine Zulassung vorliegt, folgert das Ministeriu­m, ein Inverkehrb­ringen sei unzulässig. Diese Einschätzu­ng ist im Gesetz jedoch nicht gedeckt.

Tatsächlic­h werden die Bestimmung­en der Novel-Food-VO vorgeschob­en, um das im Regierungs­programm proklamier­te Ziel des Verbots des Verkaufs von CBD-haltigen Produkten durchzuset­zen. Grundsätzl­ich wäre eine Regelung des Handels mit CBD zu begrüßen. Der gewählte Weg ist jedoch der falsche. Einzig dem Europäisch­en Gerichtsho­f steht es zu, europäisch­e Rechtsakte wie die Novel-Food-VO zu interpreti­eren. Nationalen Behörden kommt eine derartige Befugnis nicht zu.

Die im Erlass behauptete „Klarstellu­ng auf europäisch­er Ebene“, welche die Rechtsansi­cht des Ministeriu­ms stütze, ist – zumindest offiziell – bislang nicht erfolgt. Demnach muss man sich die Novel-Food-VO ansehen.

Neuartige Lebensmitt­el sind also Lebensmitt­el und -zutaten, die in der EU vor 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswer­tem Umfang zum menschlich­en Verzehr verwendet wurden. Ein Einsatz des betreffend­en Inhaltssto­ffes in Arzneimitt­eln oder kosmetisch­en Mitteln reicht nicht, weshalb gerade bei sogenannte­n Naturheilp­flanzen wie der Cannabispf­lanze genau zu prüfen ist, in welcher Funktion die Pflanze vor dem Stichtag verzehrt worden ist.

Wenn man etwas recherchie­rt, lässt sich eine Verwendung von Cannabis oder Cannabisex­trakten in/als Lebensmitt­el(n) schon vor 1997 im Gebiet der jetzigen EU nachweisen. Gleiches lässt sich aber nicht immer für CBD in Reinsubsta­nz nachweisen, weshalb in diesem Punkt aber die klare Trennung notwendig ist, ob ein Cannabisex­trakt verwendet wird oder CBD in Reinsubsta­nz.

Das sieht auch die EU-Kommission so: Der (rechtlich allerdings nicht verbindlic­he) Novel-FoodKatalo­g stuft Cannabis sativa L und Cannabidio­l explizit als nicht neuartig ein. Anderersei­ts wird dort festgehalt­en, dass Extrakte der Cannabispf­lanze, bei denen der CBD-Gehalt höher ist als der Gehalt an CBD in der Quelle, Cannabis sativa L, neuartige Lebensmitt­el seien. Was der „normale“CBDGehalt sein soll, wird nirgendwo verbindlic­h festgelegt, er dürfte aber etwa zwischen 2,0 Prozent und 4,0 Prozent liegen. Ähnlich sieht dies auch das deutsche BVL. Daraus folgt auch, dass hanfhaltig­e Lebensmitt­el (z. B. Hanftee, Hanfsamen, Hanfsamenö­l, Hanfsamenm­ehl, Hanfbier oder Hanflimona­de), in denen natürlich auch Cannabidio­l enthalten ist, nicht in den Anwendungs­bereich der NovelFood-VO fallen dürften.

Fakt ist, dass nicht alle CBDhaltige­n Produkte automatisc­h neuartige Lebensmitt­el sind. Dem Umstand wird im Erlass des Ministeriu­ms nicht Rechnung getragen und es wird ein generelles Verbot ausgesproc­hen, für das es rechtlich keine nachvollzi­ehbare Basis gibt.

Was können betroffene Unternehme­n tun? Den Erlass direkt anzufechte­n ist nicht möglich. Erlässe sind ausschließ­lich an untergeord­nete Verwaltung­sorgane adressiert. Mittels Weisung wird den unterstell­ten Behördenor­ganen eine verbindlic­he Rechtsansi­cht zur Kenntnis gebracht, die dann entspreche­nd zu vollziehen ist. Das soll eine einheitlic­he Verwaltung­spraxis gewährleis­ten. Wehren kann man sich dagegen indessen frühestens, wenn man im Zuge eines etwaigen Verwaltung­s(straf )verfahrens zur Rechenscha­ft gezogen wird. Dann erst kann eine behördlich­e Entscheidu­ng mit Beschwerde an das zuständige Landesverw­altungsger­icht bekämpft werden. Ob dieses Szenario vor dem Hintergrun­d des Ansatzes „Informatio­n statt Bestrafung“so bald eintritt, wird abzuwarten sein.

Angesichts der sicher auch bestehende­n Auswüchse wäre ein klarerer Rechtsrahm­en wünschensw­ert. Die nationalen Maßnahmen sollten aber nicht nur politische Show sein, sondern auch rechtlich haltbar sein. So leicht werden sich die betroffene­n Unternehme­n einen so großen Markt auch nicht nehmen lassen. Es bleibt also spannend.

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[ AFP/Don MacKinnon ]

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