CBD: Ein Rechtsbruch, der keiner ist
Hanfprodukt. Der Versuch des Sozialministeriums, Cannabidiol-haltige Lebensmittel im Erlassweg zu verbieten, ist untauglich. Sich dagegen zu wehren, ist dennoch schwierig.
Jeder Branche ihren Hype, jedem Hype seine Zeit. Was Bitcoin 2017 für die Finanzbranche war, ist aktuell Cannabidiol, kurz CBD, für die Lebensmittelbranche. Bevor man auf falsche Gedanken kommt, mit Drogen hat CBD absolut nichts zu tun. Cannabis enthält verschiedene sogenannte Cannabinoide. Die beiden bekanntesten sind Cannabidiol und Tetrahydrocannabinol (THC). Letzterer Stoff ist psychoaktiv und verantwortlich für das „High“beim Konsum von konventionellem (illegalem) Cannabis. Reines CBD hingegen verursacht keinen Rausch. Was es interessant macht, ist seine angeblich analgetische, neuroprotektive und entzündungshemmende Wirkung.
Viele der Cannabidiol zugeschriebenen Effekte sind jedoch noch nicht wissenschaftlich bestätigt, wie die Österreichische Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit betont. Das schmälert das Interesse der Konsumenten allerdings nicht.
Weltweit werden unglaubliche Gewinne durch den Verkauf CBD-haltiger Produkte generiert. Schätzungen zufolge soll der Umsatz in den USA in diesem Jahr auf mehr als zwei Milliarden Dollar anwachsen. Lebensmittelgroßkonzerne wie Coca-Cola, deren Konkurrentin PepsiCo oder auch die Produzenten von Corona, Guinness und anderen Getränkemarken liebäugeln mit dem Stoff oder haben schon entsprechende Produkte auf dem Markt. Lagunitas, ein Unternehmen im Besitz des Bierherstellers Heineken, verkauft in den USA ein CBD-Soda namens Hi-Fi Hops.
Auch hierzulande ist der Trend deutlich spürbar, gibt es doch schon weit über 200 Unternehmen, die sich dem Handel mit CBD-Produkten verschrieben haben. Doch damit soll nun Schluss sein. Das Sozialministerium hat im Dezember den Verkauf von CBD- Extrakten und Lebensmitteln, die solche Extrakte enthalten, mit einem Erlass generell „verboten“oder besser: zu verbieten versucht.
Nach dem Erlass seien Lebensmittel mit CBD nämlich als neuartige Lebensmittel gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 („NovelFood-VO“) zu betrachten und dürfen daher nur nach erfolgter Zulassung durch die EU-Kommission gehandelt werden. Da noch keine Zulassung vorliegt, folgert das Ministerium, ein Inverkehrbringen sei unzulässig. Diese Einschätzung ist im Gesetz jedoch nicht gedeckt.
Tatsächlich werden die Bestimmungen der Novel-Food-VO vorgeschoben, um das im Regierungsprogramm proklamierte Ziel des Verbots des Verkaufs von CBD-haltigen Produkten durchzusetzen. Grundsätzlich wäre eine Regelung des Handels mit CBD zu begrüßen. Der gewählte Weg ist jedoch der falsche. Einzig dem Europäischen Gerichtshof steht es zu, europäische Rechtsakte wie die Novel-Food-VO zu interpretieren. Nationalen Behörden kommt eine derartige Befugnis nicht zu.
Die im Erlass behauptete „Klarstellung auf europäischer Ebene“, welche die Rechtsansicht des Ministeriums stütze, ist – zumindest offiziell – bislang nicht erfolgt. Demnach muss man sich die Novel-Food-VO ansehen.
Neuartige Lebensmittel sind also Lebensmittel und -zutaten, die in der EU vor 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang zum menschlichen Verzehr verwendet wurden. Ein Einsatz des betreffenden Inhaltsstoffes in Arzneimitteln oder kosmetischen Mitteln reicht nicht, weshalb gerade bei sogenannten Naturheilpflanzen wie der Cannabispflanze genau zu prüfen ist, in welcher Funktion die Pflanze vor dem Stichtag verzehrt worden ist.
Wenn man etwas recherchiert, lässt sich eine Verwendung von Cannabis oder Cannabisextrakten in/als Lebensmittel(n) schon vor 1997 im Gebiet der jetzigen EU nachweisen. Gleiches lässt sich aber nicht immer für CBD in Reinsubstanz nachweisen, weshalb in diesem Punkt aber die klare Trennung notwendig ist, ob ein Cannabisextrakt verwendet wird oder CBD in Reinsubstanz.
Das sieht auch die EU-Kommission so: Der (rechtlich allerdings nicht verbindliche) Novel-FoodKatalog stuft Cannabis sativa L und Cannabidiol explizit als nicht neuartig ein. Andererseits wird dort festgehalten, dass Extrakte der Cannabispflanze, bei denen der CBD-Gehalt höher ist als der Gehalt an CBD in der Quelle, Cannabis sativa L, neuartige Lebensmittel seien. Was der „normale“CBDGehalt sein soll, wird nirgendwo verbindlich festgelegt, er dürfte aber etwa zwischen 2,0 Prozent und 4,0 Prozent liegen. Ähnlich sieht dies auch das deutsche BVL. Daraus folgt auch, dass hanfhaltige Lebensmittel (z. B. Hanftee, Hanfsamen, Hanfsamenöl, Hanfsamenmehl, Hanfbier oder Hanflimonade), in denen natürlich auch Cannabidiol enthalten ist, nicht in den Anwendungsbereich der NovelFood-VO fallen dürften.
Fakt ist, dass nicht alle CBDhaltigen Produkte automatisch neuartige Lebensmittel sind. Dem Umstand wird im Erlass des Ministeriums nicht Rechnung getragen und es wird ein generelles Verbot ausgesprochen, für das es rechtlich keine nachvollziehbare Basis gibt.
Was können betroffene Unternehmen tun? Den Erlass direkt anzufechten ist nicht möglich. Erlässe sind ausschließlich an untergeordnete Verwaltungsorgane adressiert. Mittels Weisung wird den unterstellten Behördenorganen eine verbindliche Rechtsansicht zur Kenntnis gebracht, die dann entsprechend zu vollziehen ist. Das soll eine einheitliche Verwaltungspraxis gewährleisten. Wehren kann man sich dagegen indessen frühestens, wenn man im Zuge eines etwaigen Verwaltungs(straf )verfahrens zur Rechenschaft gezogen wird. Dann erst kann eine behördliche Entscheidung mit Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht bekämpft werden. Ob dieses Szenario vor dem Hintergrund des Ansatzes „Information statt Bestrafung“so bald eintritt, wird abzuwarten sein.
Angesichts der sicher auch bestehenden Auswüchse wäre ein klarerer Rechtsrahmen wünschenswert. Die nationalen Maßnahmen sollten aber nicht nur politische Show sein, sondern auch rechtlich haltbar sein. So leicht werden sich die betroffenen Unternehmen einen so großen Markt auch nicht nehmen lassen. Es bleibt also spannend.