Rauris im kleinen Ausnahmezustand
Eingeschneit. Seit dem Wochenende sind in der Pinzgauer Gemeinde Rauris rund 5000 Menschen von den Schneemassen eingeschlossen. Die meisten reagieren gelassen.
Äpfel, Bananen, Salat, Kartoffeln, Tomaten, Milch, Joghurt und Eier: Im Supermarkt in Rauris ist nichts davon zu bemerken, dass der Ort seit dem Wochenende auf dem Straßenweg nicht mehr erreichbar ist. Die Regale und Kühlvitrinen sind gut gefüllt.
„Es ist von überall etwas da, die Auswahl ist vielleicht ein wenig kleiner“, sagt Elfriede Faustner, stellvertretende Leiterin des SparMarkts in der Pinzgauer Gemeinde, am Telefon. Rauris ist eingeschneit, Einheimische und Gäste können nicht aus dem Tal. Zu groß ist die Gefahr, dass eine Lawine auf die Straße abgeht.
Auch wenn die Sperre noch länger dauere, gebe es genügend Nachschub im Lager, sagt die Frau. Mit Obst und Gemüse würde es aber dann eng. Faustner merkt nichts davon, dass die Einheimischen angesichts der Situation sicherheitshalber Lebensmittel auf Vorrat kaufen. „Es waren heute ganz normale Einkäufe“, erzählt Faustner. Aber eines sei ihr aufgefallen: „Die Leute sind alle gut drauf, sie haben alle ein bisschen mehr Zeit.“Nach den Schneefällen hatte sich am Montag die Lawinensituation in weiten Teilen Salzburgs verschärft. Im Pinzgau herrschte mit Warnstufe fünf die höchste Stufe. Einer jener Punkte, der den Behörden Sorge machte, war die Rauriser Straße L112 zwischen Taxenbach und Rauris. Oberhalb des Ortsteils Bruderhof haben sich in einem Kar riesige Schneemengen angesammelt. Die „Bruderhof-Lawine“bedroht den darunterliegenden Bereich.
„Die Sperre bleibt vorerst aufrecht“, sagt Bürgermeister Peter Loitfellner (SPÖ) am Telefon zur „Presse“. Die Gemeindebürger nehmen die Sperre mit Gelassenheit, sie kennen solche Situationen: Weiter hinten im Tal wird die Hüttwinklstraße jedes Jahr ein paar Tage wegen Lawinengefahr gesperrt, auch im Bereich Bruderhof kommt es in starken Wintern immer wieder vor, dass die Straße zu ist. Schließlich liegt Rauris in den Bergen. Völlig abgeschnitten von der Außenwelt ist der 3000-Einwohner-Ort aber nicht. „Wir haben einen Notweg geräumt, der, wenn unbedingt nötig, zu Fuß passiert werden kann“, erzählt der Bürgermeister. So könne man beispielsweise bei einem medizinischen Notfall jemanden aus dem Tal transportieren. Die Bergrettung habe für den Fall der Fälle ihren Quad zur Verfügung gestellt.
Künftig soll eine bessere Lawinenverbauung den Ort vor solchen winterbedingten Ausnahmesituationen schützen. Unterhalb des Rosskopfs wird im kommenden Sommer eine Stahlkonstruktion errichtet, um die einzige Zufahrt in das Raurisertal besser vor Lawinengefahr zu schützen. Erste Maßnahmen wurden schon gesetzt: „Wir haben dort oben seit dem Herbst eine Wetterstation, das hilft uns jetzt schon sehr“, schildert der Bürgermeister. Die Schneehöhe lag in dem Kar Montagmittag bei knapp über zwei Metern. Viel Schnee, der sich jederzeit entladen kann.
Der Lawinenstrich ist im Tal bekannt. „Da kommt fast jedes Jahr etwas runter“, erzählt Loitfellner. In der heurigen Saison habe es aber bisher noch keine Lawine gegeben, der ganze Schnee sei noch oben. „Am Wochenende waren große Anrisse zu sehen“, beschreibt der Ortschef die aktuelle Gefahr. Im Dorf selbst läuft am Montag alles ein bisschen langsamer als sonst. Es kann keiner aus dem Tal, es kommt keiner rein. Die Einheimischen sind mit Schneeschaufeln oder Brennholzmachen beschäftigt. Die Touristen – rund 2000 Gäste sind derzeit im Ort – lassen sich durch das Wetter vom Skifahren nicht abhalten. Die Rauriser Bergbahnen waren am Montag in Betrieb, auch wenn einige Pisten und Lifte gesperrt waren.
„Wir sind gut versorgt. Wir haben einen Arzt, das Rote Kreuz und die Geschäfte haben offen“, schildert der Bürgermeister. „Es läuft alles recht ruhig ab. Die meisten Bürger haben für die Situation Verständnis, es geht schließlich um die Sicherheit.“Trotzdem hoffen alle, dass sich das Wetter bessert, die Lawine abgesprengt und die Sperre der Straße bald wieder aufgehoben werden kann.