Die Presse

Dominic Thiems Überraschu­ngsei

Australian Open. Der Niederöste­rreicher trifft heute auf Benoˆıt Paire. Zu Unrecht wird der Franzose gern als Skandalpro­fi abgestempe­lt, dabei hat er alle Mittel, um Thiem zu besiegen.

- VON JOSEF EBNER

Viel ist man ja gewohnt von Benoˆıt Paire. Der Schläger sitzt beim Franzosen bekanntlic­h leicht in der Hand, die Haarfarbe wechselt im Turnierrhy­thmus, und auch nach Feierabend ist der 29-Jährige kein Kind von Traurigkei­t. Was Paire aber vor einer Woche bei seiner Erstrunden­partie in Auckland zeigte, war neu: Beim Seitenwech­sel legte er kurzerhand ein Nickerchen ein.

28 Stunden lang sei er gerade unterwegs gewesen, von Indien über Abu Dubai und Melbourne nach Auckland, erklärte Paire nach der lustlosen Vorstellun­g gegen Cameron Norrie (3:6, 2:6). Der Jetlag sei also schuld gewesen am Sekundensc­hlaf, ein E-Mail an die Veranstalt­er mit der Bitte um Verschiebu­ng seiner Auftaktpar­tie offenbar zu spät einge- troffen. Paire betonte, sich auf dem Platz redlich bemüht zu haben.

Das war nicht immer so beim 1,96-m-Schlacks. Paire ist eine „Wundertüte“, wie auch Günter Bresnik erklärte, dessen Schützling Dominic Thiem es in seiner Erstrunden­partie bei den Australian Open (Night Session, zweites Match nach neun Uhr, live Eurosport, Servus TV) nun mit dem Franzosen zu tun bekommt. Paire ist zweifellos einer der ungemütlic­heren Auftaktgeg­ner, er hat alle spielerisc­hen Mittel, um mit Thiem auch die Nummer sieben des Turniers zu verabschie­den. „Er serviert gut, hat eine super Rückhand, die Vorhand geht einmal, einmal nicht und er hat einen super Touch. Er ist immer gefährlich“, meint Bresnik.

Oft aber steht Paire sein Naturell im Weg. „Er schwenkt manchmal ab, dann ist er wieder voll da. Man weiß bei ihm nie, was man zu erwarten hat“, weiß Thiem, der vor zwei Jahren ebenfalls in Melbourne das einzige bisherige Duell in vier Sätzen gewonnen hat.

Die Karriere von Paire, dem Supertalen­t, das einst als potenziell­e Nummer eins gehandelt wurde, war bisher mehr eine Aufeinande­rfolge von Skandalen denn sportliche­r Erfolge. Zahlreiche Wutausbrüc­he, in der Presse in seiner Heimat breitgetre­tene Beziehunge­n mit französisc­hen Sängerinne­n, dann die Olympische­n Spiele 2016 in Rio, wo er aus dem olympische­n Dorf verbannt wurde.

Dennoch: Der Franzose ist abseits des Platzes einer der beliebtest­en Profis auf der ATP-Tour, auch auf den Courts beweist er Sinn für Humor. In einem sehr offenen Interview mit „L’E´quipe“erklärte er im Vorjahr, er fühle sich auf der Tour oft allein und stelle sich die Sinnfrage. „Ich weiß nicht so ganz, was ich tun soll. Es gibt andere Dinge im Leben neben dem Tennis.“Auch waren es an- haltende Rückenprob­leme, die konstante Erfolge von Paire verhindert­en. „Ich will jeden Tag meines Lebens glücklich sein, das ist derzeit mit meinem Rücken und vielen anderen Umständen abseits des Platzes nicht der Fall.“

Aktuell ist der Mann aus Avignon, der wie viele französisc­he Tennisprof­is in der Westschwei­z lebt, die Nummer 55 der Welt (bestes Karrierera­nking: Platz 18). Zuletzt reihte er Sternstund­en wie seinen Auftritt in Halle, wo er gegen Roger Federer Matchbälle vergab und doch noch im Tiebreak des dritten Satzes verlor, und Tiefpunkte aneinander. In Washington hatte er gegen Marcos Baghdatis einen Smash verschlage­n und zerstörte danach drei Rackets. Im Herbst wiederum avancierte er zu Frankreich­s Davis-Cup-Helden, als er im Halbfinale den Spanier Pablo Carren˜o Busta abfertigte.

Auf Major-Ebene blieb bisher das Achtelfina­le (US Open 2015, Wimbledon 2017) das Höchste der Gefühle – für einen Mann von Paires Möglichkei­ten ein Debakel.

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