Shutdown: Sorge um Weltkonjunktur
USA. Bislang sind die Folgen des Stillstands für die Weltwirtschaft überschaubar. Spätestens im Februar könnte es dramatisch werden, wenn die Politik den Streit bis dahin nicht beseitigt.
Seit mehr als drei Wochen stehen Teile der US-Regierung still, und langsam fragen sich Ökonomen, ob ein zahlenmäßig kleinlicher Streit um eine Mauer tatsächlich das Potenzial hat, die Weltkonjunktur zu gefährden. Die Antwort: Ja, hat er. Dann nämlich, wenn sich die Parteien bis Februar nicht einigen und die Debatte eine anstehende Erhöhung des Schuldenlimits der USA gefährdet. Spätestens dann würde sich der Spaß für Investoren aufhören. Dann ginge es nicht mehr um eine Grenzbarriere, sondern um die Zahlungsfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft.
Derzeit deutet wenig darauf hin, dass Donald Trump und die Demokraten das Kriegsbeil begraben werden. Übers Wochenende betonte der Präsident, dass er keine Gesetzesvorlage zur Beendigung des Shutdown unterschreibt, sofern darin nicht 5,7 Mrd. Dollar zum Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko enthalten sind. Laut Demokraten, die das Abgeordnetenhaus kontrollieren, wird es das nicht spielen.
Shutdown belastet alle
So bekommen 800.000 Bundesbeamte nach wie vor kein Gehalt ausbezahlt, Nationalparks bleiben geschlossen, und an den Flughäfen werden die Schlangen länger, weil Teile des Sicherheitspersonals zu Hause bleiben. Für die Bevölkerung ist das unangenehm, für einen ernsthaften Wirtschaftsabschwung reicht es noch nicht. Die Zentralbank Fed sagte im Dezember ein US-Wachstum von 2,3 Prozent für 2019 voraus. Der bisherige Shutdown dürfte diese Zahl um ein bis zwei Zehntelpunkte reduzieren.
Allerdings, und jetzt wird es düster: Der längste Stillstand der Geschichte ist noch nicht vorbei. Medienberichten zufolge plant das Weiße Haus bereits, die für 29. Jänner angesetzte Trump-Rede zur Lage der Nation entsprechend anzupassen. Selbst ein monatelang dauernder Shutdown ist nicht ausgeschlossen. Das Problem: Am 1. März erreichen die USA ihr selbst auferlegtes Schuldenlimit. Bis dahin muss der tief zerstrittene Kongress die Grenze für die Aufnahme von Staatsschulden erhöhen, sonst droht theoretisch die Zahlungsunfähigkeit.
Praktisch könnte das Finanzministerium diese Frist um wenige Monate verlängern, indem es etwa Pensionsreserven anzapft. Dazu will man es besser nicht kommen lassen, bereits jetzt denken Ratingagenturen laut über die US-Bonität nach. Man werde sich ansehen müssen, ob die Finanzlage „konsistent mit einem Triple-A-Rating ist“, sagte James McCormack von Fitch Ratings kürzlich. Da werden Erinnerungen an 2011 wach. Damals entzog Standard & Poor’s den USA die höchste Bonitätsstufe. Schwere Verluste an den Börsen waren die Folge. Der S&P-500-Index verlor im Juli zehn Prozent, ehe der Kongress zwei Tage vor der Zahlungsunfähigkeit das Limit anhob.
Freilich: Generell sind der Shutdown und das Schuldenlimit getrennt voneinander zu betrachten. Der aktuelle Stillstand betrifft Gesetzesvorlagen für laufende Staatsausgaben, das Schuldenlimit unter anderem die Rückzahlung von Staatsanleihen. Doch muss der Kongress beides absegnen, und spätestens im Februar werden Politiker die beiden Themen miteinander in Verbindung bringen. Das Drohpotenzial beider Seiten würde deutlich größer, ginge es um den potenziellen Staatsbankrott.
Schlechtes Timing
Dabei könnte das Timing kaum schlechter sein. Auch ohne den Streit um das Schuldenlimit sorgen sich viele Ökonomen um die aus- ufernde Staatsverschuldung in den USA. 2018 belief sich das Defizit auf knapp 800 Mrd. Dollar oder vier Prozent der Wirtschaftsleistung. Heuer wird es weiter ansteigen, wohl auf eine Billion Dollar. Höher war es in der Hochkonjunktur noch nie. Spielraum, um einer sich abkühlenden Konjunktur unter die Arme zu greifen, gibt es kaum.
Entsprechend erwartet mittlerweile mehr als ein Viertel der vom „Wall Street Journal“befragten Ökonomen 2019 eine US-Rezession, mehr als die Hälfte der Experten sehen die Wirtschaft spätestens 2020 schrumpfen. Für die Weltkonjunktur verheißt das wenig Gutes, sind doch die USA zuletzt angesichts eines wankenden Europa und eines schwächelnden China das Zugpferd gewesen. Kurzum: Die politische Krise in Washington könnte ein ohnehin bereits prall gefülltes Fass für die Weltkonjunktur zum Überlaufen bringen.