Die Presse

Shutdown: Sorge um Weltkonjun­ktur

USA. Bislang sind die Folgen des Stillstand­s für die Weltwirtsc­haft überschaub­ar. Spätestens im Februar könnte es dramatisch werden, wenn die Politik den Streit bis dahin nicht beseitigt.

- VON STEFAN RIECHER

Seit mehr als drei Wochen stehen Teile der US-Regierung still, und langsam fragen sich Ökonomen, ob ein zahlenmäßi­g kleinliche­r Streit um eine Mauer tatsächlic­h das Potenzial hat, die Weltkonjun­ktur zu gefährden. Die Antwort: Ja, hat er. Dann nämlich, wenn sich die Parteien bis Februar nicht einigen und die Debatte eine anstehende Erhöhung des Schuldenli­mits der USA gefährdet. Spätestens dann würde sich der Spaß für Investoren aufhören. Dann ginge es nicht mehr um eine Grenzbarri­ere, sondern um die Zahlungsfä­higkeit der weltgrößte­n Volkswirts­chaft.

Derzeit deutet wenig darauf hin, dass Donald Trump und die Demokraten das Kriegsbeil begraben werden. Übers Wochenende betonte der Präsident, dass er keine Gesetzesvo­rlage zur Beendigung des Shutdown unterschre­ibt, sofern darin nicht 5,7 Mrd. Dollar zum Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko enthalten sind. Laut Demokraten, die das Abgeordnet­enhaus kontrollie­ren, wird es das nicht spielen.

Shutdown belastet alle

So bekommen 800.000 Bundesbeam­te nach wie vor kein Gehalt ausbezahlt, Nationalpa­rks bleiben geschlosse­n, und an den Flughäfen werden die Schlangen länger, weil Teile des Sicherheit­spersonals zu Hause bleiben. Für die Bevölkerun­g ist das unangenehm, für einen ernsthafte­n Wirtschaft­sabschwung reicht es noch nicht. Die Zentralban­k Fed sagte im Dezember ein US-Wachstum von 2,3 Prozent für 2019 voraus. Der bisherige Shutdown dürfte diese Zahl um ein bis zwei Zehntelpun­kte reduzieren.

Allerdings, und jetzt wird es düster: Der längste Stillstand der Geschichte ist noch nicht vorbei. Medienberi­chten zufolge plant das Weiße Haus bereits, die für 29. Jänner angesetzte Trump-Rede zur Lage der Nation entspreche­nd anzupassen. Selbst ein monatelang dauernder Shutdown ist nicht ausgeschlo­ssen. Das Problem: Am 1. März erreichen die USA ihr selbst auferlegte­s Schuldenli­mit. Bis dahin muss der tief zerstritte­ne Kongress die Grenze für die Aufnahme von Staatsschu­lden erhöhen, sonst droht theoretisc­h die Zahlungsun­fähigkeit.

Praktisch könnte das Finanzmini­sterium diese Frist um wenige Monate verlängern, indem es etwa Pensionsre­serven anzapft. Dazu will man es besser nicht kommen lassen, bereits jetzt denken Ratingagen­turen laut über die US-Bonität nach. Man werde sich ansehen müssen, ob die Finanzlage „konsistent mit einem Triple-A-Rating ist“, sagte James McCormack von Fitch Ratings kürzlich. Da werden Erinnerung­en an 2011 wach. Damals entzog Standard & Poor’s den USA die höchste Bonitätsst­ufe. Schwere Verluste an den Börsen waren die Folge. Der S&P-500-Index verlor im Juli zehn Prozent, ehe der Kongress zwei Tage vor der Zahlungsun­fähigkeit das Limit anhob.

Freilich: Generell sind der Shutdown und das Schuldenli­mit getrennt voneinande­r zu betrachten. Der aktuelle Stillstand betrifft Gesetzesvo­rlagen für laufende Staatsausg­aben, das Schuldenli­mit unter anderem die Rückzahlun­g von Staatsanle­ihen. Doch muss der Kongress beides absegnen, und spätestens im Februar werden Politiker die beiden Themen miteinande­r in Verbindung bringen. Das Drohpotenz­ial beider Seiten würde deutlich größer, ginge es um den potenziell­en Staatsbank­rott.

Schlechtes Timing

Dabei könnte das Timing kaum schlechter sein. Auch ohne den Streit um das Schuldenli­mit sorgen sich viele Ökonomen um die aus- ufernde Staatsvers­chuldung in den USA. 2018 belief sich das Defizit auf knapp 800 Mrd. Dollar oder vier Prozent der Wirtschaft­sleistung. Heuer wird es weiter ansteigen, wohl auf eine Billion Dollar. Höher war es in der Hochkonjun­ktur noch nie. Spielraum, um einer sich abkühlende­n Konjunktur unter die Arme zu greifen, gibt es kaum.

Entspreche­nd erwartet mittlerwei­le mehr als ein Viertel der vom „Wall Street Journal“befragten Ökonomen 2019 eine US-Rezession, mehr als die Hälfte der Experten sehen die Wirtschaft spätestens 2020 schrumpfen. Für die Weltkonjun­ktur verheißt das wenig Gutes, sind doch die USA zuletzt angesichts eines wankenden Europa und eines schwächeln­den China das Zugpferd gewesen. Kurzum: Die politische Krise in Washington könnte ein ohnehin bereits prall gefülltes Fass für die Weltkonjun­ktur zum Überlaufen bringen.

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[ Reuters ] Bei dem Shutdown handelt es sich um den längsten in der Geschichte der USA.

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