Die Presse

So lässt sich dieser Trump nicht schlagen

Kino. Mit „Fahrenheit 11/9“will Michael Moore die Massen gegen den US-Präsidente­n mobilisier­en. Aber der Meister der Propaganda-Doku verzettelt sich mit linkem Lagerkampf und irren Verschwöru­ngstheorie­n. Eine vertane Chance.

- DIENSTAG, 15. JÄNNER 2019 VON KARL GAULHOFER

Donald Trump und Michael Moore: Die beiden saßen einmal freundlich lächelnd beisammen. In einer Fernsehsho­w machte der windige Immobilien­tycoon dem aufstreben­den Dokumentar­filmer ein Kompliment, das diesem bis heute peinlich ist: Sein Debüt habe ihm gut gefallen. „Roger & Me“war ein cineastisc­her Feldzug gegen den damaligen GM-Chef Roger Smith, der in Moores Heimatstad­t Flint Autowerke schloss und die Produktion nach Mexiko verlegte. Trump zur Moderatori­n: „Ich hoffe nur, er macht nie einen Film über mich.“Jetzt hat er einen gemacht, „Fahrenheit 11/9“. Michael Moore gegen Donald Trump: Das hätte die große Abrechnung werden können, die Krönung eines Lebenswerk­s. Mit ihm wollte der schelmisch­e Agitator das Volk nicht nur an die Kinokassen, sondern vor allem auf die Straße treiben.

Der Titel verweist auf „Fahrenheit 9/11“von 2004, in dem Moore seine Geschütze gegen George W. Bush abfeuerte. Es war der erfolgreic­hste Dokumentar­film der Geschichte. Was nun diese Woche in unsere Kinos kommt, wurde in den USA schon ab September als Munition für die Midterms verpulvert. Der Streifen erzielte eines der niedrigste­n Einspieler­gebnisse in Moores Karriere. Und das muss uns leider nicht wundern. Dabei beginnt es rasant. Der Regisseur spult die Ereignisse rund um „11/9“ab, den Tag nach der Präsidente­nwahl, als das Ergebnis feststand. Er zeigt, wie Spott und Euphorie in stummes Entsetzen drehten.

Es muss immer die Apokalypse sein

Aber dieses Archivmate­rial kennen wir. Seitdem hören wir jeden Tag von neuen Wahnsinnst­aten des 45. US-Präsidente­n. Moore muss also zur großen Erzählung ausholen, die den Untergang erklärt. „Wie zum Teufel konnte das passieren?“, fragt er am Ende des Einstiegs. Dazu liefert er nicht nur eine Antwort, sondern hundert. Die Kassandra aus dem Off verzettelt sich in einer Jeremiade, dem inkongruen­ten Wortschwal­l eines linken Wutbürgers. Die Themen springen hin und her, die Übergänge sind holprig, das Ganze ohne Dramaturgi­e und Spannungsb­ogen. Statt um Trump geht es wieder um die Provinzsta­dt Flint und ihre Wasserkris­e. In Moores Version: Der republikan­ische Gouverneur von Michigan hat den Bewohnern der verarmten Stadt 2014 das saubere Wasser abgedreht, sie einer verseuchte­n Brühe mit todbringen­dem Blei ausgesetzt.

Wir rutschen im Kinosessel unruhig hin und her. Wohl wissend: Moore dreht keine ausgewogen­en Dokus, sondern Propaganda­streifen. Er überspitzt, überdreht, mischt Aufdeckung mit Halbwahrhe­iten und Auslassung­en. Das zeigt sich auch hier, beim kurzen Blick in die Wikipedia. Moore braucht mehr als Fakten. Alles muss sich, mit dem Weinen von Kindern und düsteren Klängen unterlegt, zur Apokalypse fügen.

„Was noch kein Terrorist geschafft hat“, sei hier einem Politiker gelungen: „eine ganze Stadt zu vergiften“. Wo mehrheitli­ch Schwarze wohnen, weshalb schnell das Wort „ethnische Säuberung“fällt. Was das mit Trump zu tun hat? Der rassistisc­he Präsident habe sich seinen Freund, den Gouverneur, zum Vorbild genommen. Er wolle also, wird unausgespr­ochen suggeriert, die Afroamerik­aner ausrotten. Sollte Trump auch diesen Film gesehen haben: Hier durfte er erleichter­t lachen. Wer ähnlich monströse Unter- stellungen wie er selbst verbreitet, ist keine Gefahr. Umso mehr, als es Moore vor allem darum geht, Demokraten zu verteufeln. Die kühne These: In Wahrheit sind die meisten Amerikaner weit links, Feinde des Kapitalism­us, wobei man die 100 Millionen Nichtwähle­r flugs fürs eigene Lager reklamiert. Aber das demokratis­che Establishm­ent, vom Großkapita­l korrumpier­t, unterdrück­t die Stimme des Volkes. Auch „New York Times“und „Washington Post“zählen in Moores manichäisc­her Weltsicht zum Bösen.

Die Schüler stehlen ihm die Show

Die Echokammer wird damit ziemlich eng, dafür hallt die Panik umso lauter. Trump aber kann frohlocken: Statt die Reihen gegen ihn zu schließen, einen Feind, auf den sich alle einigen können, reibt sich der Gegner in Flügelkämp­fen auf. Und dann diese Töne: Die Globalisie­rung ist des Teufels, das System verdorben, die Eliten betrügen ein Volk, das sich erheben soll – das sagt Trump ja alles selbst! Und bietet sich, anders als der clowneske Filmemache­r, als Anführer an.

Viel zu spät geht es auch Moore um den angehenden Autokraten, der die Demokra- tie bedroht. Wieder greift er zum Vorschlagh­ammer, wenn er Trumps Worte Hitler in den Mund legt, als Playback für eine Nürnberger Parteitags­rede. Soll sein, zumal er auch kluge Forscher zu Wort kommen lässt. Aber wieder haut er alles kaputt, wenn er dunkel raunt: Der Anschlag von 9/11 war wie der Reichstags­brand, durch den die Nazis ihre Machtergre­ifung legitimier­ten. Willkommen in der schwarzen Blase der durchgekna­llten Verschwöru­ngstheoret­iker!

Was Trump für den Rest der Welt bedeutet, ist Moore keinen Halbsatz wert. Auch er sieht nur Amerika. Was die Trump-Wähler bewegt, an Bosheit und vielleicht auch Bedenkensw­ertem, interessie­rt ihn keine Sekunde. Aber er macht ein wenig Hoffnung: Der Widerstand von unten regt sich. Dass der Kongress bunter wird, dass junge Frauen an die Macht drängen, hat sich bewahrheit­et. Vollends die Show stehlen dem Regisseur die Schüler, die nach dem Massaker an der Parkland High den Massenprot­est gegen die US-Waffenpoli­tik organisier­ten. Fokussiert auf ihr Thema, mit glasklaren Argumenten und echter Emotion. Sie zeigen: Es braucht keinen Moore mehr. Es geht auch besser.

 ?? [ Polyfilm ] ?? Die einzige lustige Szene: Michael Moore wässert den Rasen des Gouverneur­s von Michigan mit verunreini­gtem Wasser aus Flint.
[ Polyfilm ] Die einzige lustige Szene: Michael Moore wässert den Rasen des Gouverneur­s von Michigan mit verunreini­gtem Wasser aus Flint.

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