Die Presse

Danziger Bürgermeis­ter nach Angriff gestorben

Hassverbre­chen. Paweł Adamowicz, das liberale, langjährig­e Stadtoberh­aupt der Hansestadt, wurde bei einer regierungs­kritischen Spendenver­anstaltung ermordet. Regierungs­hetze könnte bei der Tat eine Rolle gespielt haben.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Der Bürgermeis­ter der polnischen Stadt Danzig, Paweł Adamowicz, ist einen Tag nach dem Mordanschl­ag auf ihn gestorben. Der Täter war am Sonntag bei einer Wohltätigk­eitsverans­taltung auf die Bühne gestürmt und hatte den 53-Jährigen mit einem Messer niedergest­ochen.

Polen ist nach dem Mordanschl­ag gegen den landesweit bekannten Danziger Bürgermeis­ter im Schockzust­and. Nach stundenlan­gem Kampf erlag Paweł Adamowicz (53) den Verletzung­en, die ihm ein Attentäter am Sonntagabe­nd zugefügt hatte. Zuvor hatten sich erstmals seit der Hiobsbotsc­haft vom Flugzeugab­sturz von Smolensk im April 2010, bei dem Präsident Lech Kaczyn´ski ums Leben gekommen war, die beiden bitter verfeindet­en politische­n Lager des Landes teilweise zu Solidaritä­tsaufrufen zusammenge­rauft.

Für die regierende Kaczyn´skiPartei (PiS) war der liberale und weltoffene Adamowicz einer der meistgehas­sten Politiker. Es liegt nahe, dass die PiS-Tiraden den Mörder inspiriert haben könnten. Das Attentat ereignete sich vor den Kameras des Lokalferns­ehens.

„Die liberale Bürgerplat­tform hat mich gefoltert, deshalb musste Adamowicz sterben!“, schrie der Messerstec­her unmittelba­r nach der Tat in ein Mikrofon. Zuvor hatte er sich bei einer Spendenakt­ion auf eine Freilichtb­ühne vorgedräng­t und mit einem Messer auf Adamowicz eingestoch­en.

„Ich saß im Gefängnis, die PO (Bürgerplat­tform; Anm.) ist daran schuld“, sagte der 27-jährige Danziger. Dann ließ er sich festnehmen. Der Mann soll offenbar wegen Banküberfä­llen mehrere Jahre gesessen haben; noch wird seine Zurechnung­sfähigkeit geklärt.

Regierungs­treue Nachrichte­nportale wie auch das gleichgesc­haltete Staatsfern­sehen reagierten neutral. Monatelang hatten sie gegen den opposition­ellen Bürgermeis­ter gehetzt, der Danzig zur „freien Stadt“ohne rechtsnati­onale Hetze gegen Ausländer, Liberale und Freigeiste­r erklärt hatte. Auch im Konflikt um das internatio­nal hochgelobt­e Museum des Zweiten Weltkriegs, das für die PiS zu wenig patriotisc­h ist, hat sich Adamowicz immer wieder mit der Regierung angelegt. Nun riefen alle PiS-treuen Medien zur Besinnung, zur Beendigung des „Bruderkrie­gs“zwischen PiS und PO und zum Gebet für Adamowicz auf.

Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass Adamowicz mit seinem öffentlich­en Auftritt in der Danziger Innenstadt eine Spendenorg­anisation unterstütz­en wollte, die von der Kaczyn´ski-Regierung seit der Machtübern­ahme von 2015 nicht minder hart angegriffe­n wird wie der Bürgermeis­ter selbst. Polens größte Spendenkon­zertaktion gilt den Rechtsnati­onalisten als suspekt, weil sie sich immer mehr von der Opposition vereinnahm­en ließ.

Der antikommun­istische Ex-Dissident Adamowicz war seit 20 Jahren Bürgermeis­ter von Danzig: zuerst 15 Jahre für die liberale Bürgerplat­tform, danach als liberaler Unabhängig­er. Bei den Bürgermeis­terwahlen vom November trat er gegen den Willen der PO an, die mit Lech Wałesas˛ jüngstem Sohn, Jarosław, einen eigenen Kandidaten aufgestell­t hatte.

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