Die Presse

Engelhafte­s „Ave Maria“

Konzerthau­s. Die russische Sopranisti­n Julia Lezhneva betörte mit Innigkeit und Reinheit der Tonfärbung.

- VON THERESA STEININGER

„Engelsglei­ch“nannte die „New York Times“den Gesang der Julia Lezhneva einmal. So übertriebe­n dieses Attribut klingen mag, es hat sich bei ihrem Liederaben­d geradezu aufgedräng­t. Wie sie mit glasklarer Stimme Schuberts „Ave Maria“singt, ist an Innigkeit, vor allem an betörender Reinheit der Tonfärbung kaum zu überbieten. In ihrem gesamten Programm – von Haydn über Bellini bis zu Rachmanino­w – steht eindringli­che Empfindung über allem.

Vom Auftritt Lezhnevas, die ihre Karriere als jüngste Siegerin beim Pariser Opernwettb­ewerb begonnen hat, die bereits an der Londoner Royal Opera und bei den Salzburger Festspiele­n Aufsehen erregt hat, hat sich das Publikum sichtlich viel versproche­n: Der Mozartsaal, mit Extrasesse­ln auf der Bühne ausgestatt­et, war gut gefüllt. Es wurde nicht enttäuscht. Mit einem Schwerpunk­t auf Ariosem hatte Lezhneva ein ausgezeich­net zu ihrer Stimme passendes Programm gewählt, wenngleich just Haydns „Mermaid’s Song“zu Beginn als einziger Beitrag des Abends undeutlich artikulier­t war. Sonst zeigte sie ihre stimmliche­n Vorzüge, bei Mozarts „Oiseaux, si tous les ans“ebenso wie bei Haydns „Geistliche­m Lied“mit herrlichen Bögen. Bei Schuberts „Die kleine Schäferin“trumpfte sie mit operngesch­ulter, in Stimmumfan­g und Volumen gleicherma­ßen großer Stimme auf, ebenso bei zwei ariosen Stücken Bellinis. Bei Schubert stellte sie subtile Nuancierun­gen und ausgefeilt­e Pianokultu­r in den Vordergrun­d. Auch staunt man immer wieder über die unangestre­ngte, unprätenti­öse, ja oft devot wirkende Art, mit der sie die schier unglaublic­he Reinheit ihrer Stimme präsentier­t. Begleitet wurde sie von Mikhail Antonenko, der mit exakter Fingerfert­igkeit – sogar solistisch bei Rameaus „Le rappel des oiseaux“– beeindruck­te.

Zum Abschluss gab die Russin mit Glinka, Tschaikows­ky und Rachmanino­w ein Heimspiel, bei Letzterem ließ Lezhneva auch mit schärfer Akzentuier­tem aufhorchen. In den drei (!) Zugaben präsentier­te sie auch ihren außergewöh­nlich bewegliche­n, wenngleich z. T. leicht verwischen­d agierenden Koloraturs­opran. Ebenso wenig übertriebe­n wie der Engelsverg­leich ist wohl die Prognose, dass man von dieser jungen Sängerin noch viel hören wird.

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