NS-Mails nach Österreich hier strafbar
Urteilskritik. Der Oberste Gerichtshof vertritt die Ansicht, das Verschicken von NSGedankengut im Ausland sei in Österreich straffrei. Diese Einschätzung überzeugt nicht.
Eine vorige Woche hier besprochene Entscheidung des OGH (13 Os 105/18t) lässt aufhorchen: Ein Deutscher hatte von Spanien aus möglicherweise NS-Gedankengut enthaltende E-Mails an Personen in Österreich verschickt. Der OGH verneinte eine Zuständigkeit österreichischer Strafgerichte: Beim Tatbestand des § 3g Verbotsgesetz handle es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das nach keinem Taterfolg verlange; der erste Anknüpfungspunkt für eine Zuständigkeit österreichischer Strafgerichte – ein Taterfolg in Österreich – habe auszuscheiden. Auch eine Tathandlung im Land scheide aus, da dafür „auf die physische Präsenz des Täters beim Setzen des deliktischen Verhaltens abzustellen“sei. Der Angeklagte war beim Verfassen und Versenden der E-Mails in Spanien. Ein inländischer Tatort liege also nicht vor.
Diese Entscheidung vermag weder dogmatisch noch kriminalpolitisch zu überzeugen. Dogmatisch deshalb nicht, da ein alleiniges Abstellen auf die physische Anwesenheit des Täters den Beson- derheiten des Internets nicht gerecht wird. Sobald sich der Täter auf den Datenhighway begibt, sind die von ihm abgesetzten Informationen nahezu zeitgleich auf dem Ausgangs- und dem Zielgerät verfügbar. Deshalb geht auch die in Deutschland herrschende Lehre davon aus, dass sich die Tathandlung nicht auf jenen Ort beschränkt, an dem der Täter in die Tastatur tippt, sondern dieser überall dort handelt, wohin er gezielt Daten übermittelt bzw. von wo aus er Daten abruft. Beim Handlungsort bei Gefährdungsdelikten im Internet kommt es zusätzlich darauf an, ob die vom Täter durch das Einspeisen rechtsradikaler Inhalte geschaffene abstrakte Gefahr tatsächlich bis nach Österreich reicht und ob diese hier nicht durch eigenverantwortliches Handeln eines Dritten „überlagert“wird.
Demnach wäre die österreichische Strafgewalt zu verneinen, wenn sich der Täter darauf beschränkt, strafbare Inhalte auf einen ausländischen Server hochzuladen, welche dann von einem selbstständig handelnden Nutzer in Österreich abgerufen werden. Werden hingegen E-Mails mit NS-Inhalten, wenn auch vom Ausland aus, gezielt und kontrolliert an Adressaten in Österreich übermittelt, besteht an der fast zeitgleichen Verwirklichung der solcherart geschaffenen abstrakten Gefahr (auch) in Österreich kein Zweifel. Die Zuständigkeit österreichischer Strafgerichte ist zu bejahen.
Dafür sprechen auch kriminalpolitische Gründe. Das Verbreiten von NS-Gedankengut tangiert in hohem Maße Interessen Österreichs, dessen Geschichte untrennbar mit den Gräueltaten während des Holocaust verbunden ist. Die Justiz trifft bei der Wahrnehmung dieser Interessen eine besondere Verantwortung. E-Mails mit NS-Inhalten, welche in Österreich „aufschlagen“, sind ausnahmslos hier zu ahnden. Der Schritt über die Grenze in ein Land, das kein Verbotsgesetz kennt, soll Neonazis nicht in Sicherheit wiegen, ihre Inhalte in Österreich unbehelligt verbreiten zu dürfen. Das wäre wohl eindeutig das falsche Signal.