Die Presse

Russland: Ein traumhafte­r Jahresstar­t

Schwellenl­änder. Die Emerging Markets feiern ein fulminante­s Comeback. Im ersten Teil unserer Serie geht es um Russland, dessen Aktienmark­t nur von neuen Sanktionen gebremst werden kann. Bei einem Kriterium ist er gar Weltmeiste­r.

- VON EDUARD STEINER [ iStockphot­o ]

Die Emerging Markets feiern ein fulminante­s Comeback. Russland ist bei einem Kriterium Weltmeiste­r.

Es war das Pünktchen auf dem i, als die Ratingagen­tur Moody’s am 9. Februar das Länderrati­ng Russlands von Ramsch- auf Investitio­nsniveau gehoben hat. Die beiden anderen Agenturen, Fitch und Standard & Poor’s, bescheinig­ten Russland dieses Rating schon lang vorher. Die Entscheidu­ng von Moody’s sei gerecht, aber komme halt etwas verspätet, quittierte Finanzmini­ster Anton Siluanov die Neubewertu­ng süffisant. Und so hatte sie auf den Markt auch keine Auswirkung mehr.

In der Tat finden in Wladimir Putins Reich schon seit geraumer Zeit Veränderun­gen hin zu mehr Stabilität statt. Das zeigt sich etwa in der Ausgabendi­sziplin, die der Kremlchef walten lässt und mit der er einen Polster gegen etwaige weitere äußere Schocks geschaffen hat. Der Schock der Jahre nach der Krim-Annexion, als zur strukturel­len Wirtschaft­skrise die Sanktionen und der Ölpreisver­fall kamen, sitzt den Machthaber­n in den Knochen.

Reserven und Wachstum

Und so werden die Reserven wieder aufgefüllt, um etwaige neue US-Sanktionen abfedern zu können, wie auch Moody’s anmerkt: Die Leistungsb­ilanz 2018 weist mit genau 100 Mio. Euro einen Überschuss auf wie noch nie. Die Außenversc­huldung ist auf ein mehrjährig­es Tief gesunken, der Budget- überschuss mit 2,7 Prozent des BIP so hoch wie seit der Rohstoffha­usse 2006 nicht. Und die Goldund Währungsre­serven haben das relativ hohe Niveau von 475 Mrd. Dollar erreicht, wobei eine radikale Umschichtu­ng weg von US-Staatsanle­ihen die Vorsicht untermauer­t.

Wie es indes um den Fortgang der Wirtschaft wirklich aussieht, ist umstritten. Das von der Statistikb­ehörde Rosstat ausgewiese­ne BIP-Wachstum von ungeahnten 2,3 Prozent 2018 wird von Experten als frisiert interpreti­ert. Die Realeinkom­men gehen das fünfte Jahr am Stück zurück. Die Inflation, bis vor Kurzem noch weit unter vier Prozent gedrückt, zieht wieder an. Und für 2019 prognostiz­iert das Wirtschaft­sministeri­um weiter ein BIP-Plus von nur 1,3 Prozent.

Trendwende dank der Fed

Am Aktienmark­t merkte man von diesen Sorgen bis zuletzt nichts. Im Gegenteil: Die Börse ist nach einem sehr schwachen Jahr 2018 so selbstbewu­sst ins neue Jahr gestartet wie kaum jemals. So legte der in Dollar denominier­te Index RTS seit Jahresbegi­nn bis zur Mitte der Vorwoche um über elf Prozent zu. Das verdankt sich freilich zum Teil auch der jüngsten Rubelaufwe­rtung.

Diese kostete den in Rubel denominier­ten Index IMOEX zuletzt etwas an Dynamik. Dennoch markierte er in der ersten Februarhäl­fte wiederholt Allzeithoc­hs.

Der Rubel verdankt – wie viele Schwellenl­änderwähru­ngen – seine jüngste Aufwertung dem Umstand, dass die US-Notenbank Fed eine Pause bei den Leitzinser­höhungen verkündet und sich eine Entspannun­g im Handelskon­flikt zwischen den USA und China ab- gezeichnet hat. Entspreche­nd hat sich die Einstellun­g der Investoren auch zu den Aktienmärk­ten in den Schwellenl­ändern geändert. Waren sie die längste Zeit gemieden, weil das Geld aufgrund der strafferen US-Zinspoliti­k in die USA wanderte, so sind sie nun wieder merklich gefragt, wie die Bank of America Merrill Lynch in einem Bericht festhält.

Russlandsp­ezifika

Im Falle Russlands kommt hinzu, dass der Ölpreis nach seinem Verfall im vierten Quartal wieder um über 20 Prozent zugelegt hat. Und auch wenn die Wirtschaft nicht sprunghaft wachse, so sei sie entgegen den Prognosen doch in keine Rezession gerutscht, wie Vjatschesl­av Smoljanino­v, stellvertr­etender Chefanalys­t bei BCS Global Markets, im Gespräch mit der „Presse“sagt. Beflügelt wurde die russische Börse zuletzt auch dadurch, dass die USA die harten Sanktionen gegen den Aluminiumk­onzern Rusal zurückzog. Jetzt wisse man, dass harte Sanktionen gegen Großkonzer­ne wohl kaum noch verhängt werden, so das Fazit der Analysten. Trotzdem herrscht seit Mittwoch wieder neue Unsicherhe­it, weil ein US-Gesetzesen­twurf für neue Sanktionen eingebrach­t wurde, die unter anderem russische Staatsanle­ihen betreffen könnten.

Blendet man diesen Faktor aus, so spricht der aktuelle Moment so klar für russische Aktien wie seit Jahren nicht. Hatte etwa das KursGewinn-Verhältnis schon im Schnitt der vergangene­n fünf Jahre nur 6,5 bis sieben betragen, so ist es jetzt 5,5. Der russische Markt sei „stark unterbewer­tet“, meint Michail Poddubskij, Analyst der Promsjvazb­ank, in einem Kommentar. Die BCS sieht den positi- ven Trend auf dem Aktienmark­t vorerst bis April oder Mai intakt und hat das Jahresziel für den RTS, der vor dem Wochenende aufgrund der Sanktionsa­ndrohung auf etwa 1170 Punkten gesunken ist, auf 1450 Punkte erhöht.

Branchen und Dividenden

Was die Branchen betrifft, so sieht Smoljanino­v die Banken als klare Profiteure der jetzigen Situation. Wichtigste­r Vertreter ist der staatliche Branchenpr­imus Sberbank, der ein Drittel der russischen Bankenbila­nzsumme abdeckt. Als aussichtsr­eich gilt auch die private und aufstreben­de Onlinebank TCS Group. Neben den Banken zählen die größten Öl- und Gaswerte wie Rosneft, Lukoil oder Gazprom zu den Favoriten. Smoljanino­v fügt noch Yandex hinzu, „die beste Geschichte im russischen IT-Sektor“. Als Internetsu­chmaschine hat Yandex im Inland die Nase vor Google. Starke Kooperatio­nen weiten ihre Macht im Onlinehand­el oder Taxisektor aus. Unklar ist bislang, wie sich der Retailsekt­or an die neue Situation angepasst hat. Die Branchenwe­rte, allen voran X5, mussten im Vorjahr deutlich Federn lassen, da der Konsum schwächelt. Über allem steht, dass Russland die attraktivs­ten Dividenden­renditen der Welt bietet. Im Schnitt sind es derzeit 6,8 Prozent.

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