Sorge um Spanien
Analyse. Das andalusische Modell könnte bei Neuwahl in Madrid Schule machen: ein Bündnis zwischen der konservativen Volkspartei, der bürgerlichen Ciudadanos und den Rechtspopulisten.
Das andalusische Modell könnte bei der Neuwahl in Madrid Schule machen.
Madrid. Das Scheitern von Pedro Sanchez´ in Spanien ist keine gute Nachricht für Europa. Spanien war unter Sanchez´ ein treuer Verbündeter Brüssels. Der spanische Sozialist versuchte, in enger Zusammenarbeit mit Deutschland und Frankreich, die Europäische Union vorwärtszubringen.
Doch nun könnte der EU aus Spanien ein schärferer Wind entgegenwehen. Wenn die Meinungsforscher Recht behalten, dann wird es bei der für Ende April angesetzten Neuwahl in Spanien einen spürbaren Rechtsruck geben. Die Umfragen sehen in dem südeuropäischen EU-Land eine neue und zunehmend nach rechts abdriftende Dreierallianz vorn. In den Umfragen liegen derzeit die Sozialisten allerdings vor den Konservativen, die von Korruptionsskandalen geplagt werden.
Auf die EU dürften vor allem in so sensiblen Bereichen wie der Asyl- und Migrationspolitik neue Schwierigkeiten zukommen. Im Prozess des europäischen Fortschritts und Zusammenwachsens sind dies Schlüsselbelange, in denen Brüssel mit San-´ chez auf die uneingeschränkte Solidarität Spaniens zählen konnte.
Kurswechsel unter Casado
Der ultrakonservative Oppositionsführer und Chef der Volkspartei, Pablo Casado, hat bereits signalisiert, dass es mit ihm als Regierungschef in eine andere Richtung gehen werde: Er macht Stimmung für die Nation und gegen Migranten, gegen Gleichberechtigung und gegen eine liberale gesellschaftliche Politik. Selbst aus den eigenen Reihen muss Casado Kritik dafür einstecken, dass die ideologischen Unterschiede zwischen der traditionsreichen Volkspartei und der aufsteigenden rechtspopulistischen Partei Vox immer geringer werden. Nur die liberalbürgerliche Partei Ciudadanos, der dritte Partner in Spaniens neuem konservativen Bündnis, bremst die Rechtsfahrt ab.
In Spaniens bevölkerungsreichster Region, Andalusien, schlossen Volkspartei, Liberale und die offen europafeindliche Vox bereits einen Regierungspakt. Die drei machen kein Geheimnis daraus, dass der Pakt zum politischen Modell für ganz Spanien werden soll. Das sind keine beruhigenden Aussichten für Europa.
Zumal sich der Katalonien-Konflikt mit einem Regierungswechsel verschärfen dürfte. Die konservative Allianz kündigte an, dass sie mit aller Härte gegen die separatistische Regionalregierung in Barcelona vorgehen werde: Die aufmüpfige Region Katalo- nien soll wieder unter Zwangsverwaltung gestellt, die Strafe für illegale Schritte zur Unabhängigkeit erhöht werden.
Ein Aufflammen des Brandes in Katalonien kann nicht in Europas Interesse sein. In den europäischen Hauptstädten hatte man gehofft, dass Sanchez’´ versöhnliche Politik in Katalonien Früchte tragen würde. Doch diese Chance ist nun vorbei. Die Separatistenparteien, von deren Stimmen Sanchez´ im Parlament abhängig war, ließen ihn fallen. Vor allem, weil Sanchez´ nicht über ihre Maximalforderung, die Unabhängigkeit, verhandeln wollte. Was ihm freilich auch nicht möglich war, weil Spaniens Verfassung dies nicht erlaubt.
Konfrontation statt Dialog
Die große Frage ist, warum die Separatisten just jener Regierung in den Rücken fielen, die ihnen große Fortschritte anbot: mehr Anerkennung, mehr Autonomiekompetenzen, mehr Geld für die Region. Zugeständnisse, die von der früheren konservativen Regierung immer verweigert worden waren. Es entsteht der Eindruck, dass die Separatisten mehr an der nun drohenden Konfrontation als am Dialog interessiert sind. Mit dem Kalkül, dass es mit einer unnachgiebigen Madrider Regierung leichter ist, die Anhängerschar in Katalonien zu mehren und das Bild eines unterdrückten Volks zu pflegen.