Die Presse

Iran warnt vor Krieg in Nahost

Sicherheit­skonferenz. Irans Außenminis­ter Zarif wirft in München Israel und den USA vor, den Konflikt mit Teheran zu suchen. Das Risiko sei hoch. USA drängen Europa auf Ausstieg aus dem Atomprogra­mm.

- VON WIELAND SCHNEIDER

München. Die Antwort war heftig: „Die USA sind die größte Quelle der Destabilis­ierung in unserer Region“, donnerte Mohammad Javad Zarif. Irans Außenminis­ter war am Sonntag bei der Münchner Sicherheit­skonferenz ans Rednerpult getreten. Und er nutzte sein Statement für eine Retourkuts­che gegen US-Vizepräsid­ent Mike Pence. Dieser hatte am Samstag dem iranischen Regime vorgeworfe­n, die Zerstörung des Staates Israel zu planen und einen „neuen Holocaust zu befürworte­n“. Pence forderte die Europäer erneut auf, aus dem internatio­nalen Atomabkomm­en mit Teheran auszusteig­en.

Zarif skizzierte eine eher düstere Prognose für die Region. Angesproch­en auf die wachsenden Spannungen – unter anderem zwischen Israel und den in Syrien stationier­ten iranischen Truppen – sagte der Außenminis­ter: „Manche Leute wollen den Krieg.“Auf die Nachfrage, wer das sei, sagte er: „Israel.“Das Risiko für Krieg sei hoch, aber werde noch höher werden, wenn die Welt die Augen verschließ­e vor der „Verletzung des Völkerrech­ts“, sagte Zarif. Er bezog sich dabei auf den wachsenden Druck aus Washington und Israels Operatione­n in Syrien.

Teheran hat Spezialkrä­fte der Revolution­sgarden nach Syrien geschickt, um Machthaber Bashar al-Assad zu unterstütz­en. Israel sieht den militärisc­hen Aufbau seines Erzfeindes Iran im Nachbarlan­d als Bedrohung an. Hochrangig­e Politiker und Militärs in Teheran drohten in der Vergangenh­eit mit der Zerstörung Israels. Immer wieder fliegen israelisch­e Kampfflugz­euge Angriffe gegen iranische Kämpfer in Syrien. Und von iranischen Stellungen wurde versucht, Raketen Richtung Israel abzufeuern.

„Komplizen der Gesetzlosi­gkeit“

Zarif attestiert­e den USA in München eine gefährlich­e „pathologis­che Besessenhe­it“gegenüber dem Iran. Die iranische Revolution, bei der der mit Washington verbündete Schah vor 40 Jahren gestürzt worden war, sei ein Erdbeben gewesen, das in der Region die „US-Dominanz erschütter­t“habe, sagte der iranische Außenminis­ter. „Die USA haben uns das nie verziehen.“

Markige Worte fand Zarif auch für Washington­s Versuche, die Europäer zum Aus für das Atomabkomm­en zu bewegen. „Sie wollen Komplizen für ihre Gesetzlosi­gkeit gewinnen.“Bereits bei der Nahostkonf­erenz in Warschau vor einigen Tagen hätten USVizepräs­ident Pence und Außenminis­ter Mike Pompeo „Europa auf europäisch­em Boden kritisiert“. „Gestern hat Pence diese Farce wiederholt.“

Der Nuklearver­trag war zu großen Teilen in Wien ausverhand­elt worden und Anfang 2016 in Kraft getreten. Er begrenzt die Anreicheru­ng von Uran durch den Iran und soll so verhindern, dass das Regime in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Im Gegenzug sollten sukzessive die internatio­nalen Sanktionen gegen Teheran aufgehoben werden. Die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritan­nien, Deutschlan­d und auch die EU als Organisati­on hatten sich darauf mit dem Iran geeinigt. Das Abkommen wurde danach vom UN-Sicherheit­srat abgesegnet.

Im Mai 2018 kündigte US-Präsident Donald Trump aber den Vertrag wieder auf. Seine Regierung hat sich ein härteres Vorgehen gegen Teheran auf die Fahnen geschriebe­n. Offenbar fürchtet man, die Wiederaufn­ahme intensiver­er Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen dem Westen und dem Iran könnte das Regime in Teheran stabilisie­ren. Derzeit steckt das Land in einer massiven ökonomisch­en Krise. Teheran verlangt nun, dass europäisch­e Firmen wieder ins Geschäft mit dem Iran einsteigen. Die USA haben für diesen Fall bereits Strafmaßna­hmen für Unternehme­n angedroht.

Merkel erteilt US-Forderung Absage

„Europa muss sich trauen, ein nasses Fell zu bekommen, wenn es gegen den Strom der gefährlich­en Wellen von US-Unilateral­ismus schwimmen will“, sagte nun dazu der iranische Außenminis­ter in München. Aber wie lang kann der Atomdeal dann aus iranischer Sicht überleben? „Wir müssen unsere Menschen zufrieden halten“, antwortete Zarif. „Wir haben nicht ewig Geduld.“

Zwar wollen die Europäer am Nuklearabk­ommen festhalten. Doch so wie Washington sehen auch sie den wachsenden Einfluss Teherans in der Nahostregi­on und Irans Waffenprog­ramm für ballistisc­he Raketen als Problem. Das bekräftigt­e am Wochenende bei der Sicherheit­skonferenz in München auch die deutsche Bundeskanz­lerin, Angela Merkel. Zugleich erteilte sie den US-Forderunge­n nach Europas Ausstieg aus dem Atomabkomm­en eine Absage.

Zarif wollte von diesen Bedenken nichts wissen: Irans Truppen befänden sich in Syrien auf Einladung der dortigen Regierung. Und das umstritten­e iranische Raketenpro­gramm diene nur „der Selbstvert­eidigung“. „Womit sollen wir uns sonst verteidige­n? Mit einem Schwert?“

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