Die Presse

Löst China die nächste Krise aus?

Schulden. China versucht, Entwicklun­gsländer und deren Rohstoffqu­ellen durch forcierte Kreditverg­aben unter seinen Einfluss zu bekommen. Der IWF fürchtet, dass intranspar­ente Kreditverg­abe Schwellenl­änder in Zahlungsno­t bringt.

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Der IWF fürchtet, dass Chinas intranspar­ente Kreditverg­abe Länder in Zahlungsno­t bringen könnte.

Der chinesisch­e Scheckbuch­imperialis­mus, mit dem Peking seinen politische­n Einfluss vor allem in Afrika und Osteuropa, aber auch in Südamerika rasant ausbaut, macht nun offenbar auch den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) nervös: Dessen Chefin, Christine Lagarde, hat bei der Münchner Sicherheit­skonferenz am Wochenende vor einer neuen, von den Schwellenl­ändern ausgehende­n Finanzkris­e gewarnt, deren Auslöser die intranspar­ente Kreditverg­abe durch China sein werde.

In vielen Entwicklun­gsländern hätte die Verschuldu­ng ein nicht mehr tragbares Ausmaß erreicht, meinte Lagarde – und forderte China auf, dem sogenannte­n Pariser Club beizutrete­n. Das ist ein informelle­s Gremium, das Transparen­zregeln für die Vergabe staatliche­r Kredite festlegt und im Fall der Uneinbring­lichkeit solcher Kredite tätig wird.

Die chinesisch­e Vorgangswe­ise ist, wie der deutsche Finanzmini­ster, Olaf Scholz, meinte, insofern problemati­sch, als China selbst keine wirkliche Übersicht über seine Kreditverg­aben mehr habe, weil diese sowohl von der Zentralreg­ierung, als auch von regionalen Regierunge­n, Unternehme­n und Banken vergeben würden. „Es ist im chinesisch­en Interesse selbst, ein besseres Verständni­s über die Kreditverg­abe zu haben“, sagte Scholz.

China vergibt mehr Kredit als Weltbank

Fest steht nur, dass das von China vergebene Kreditvolu­men gewaltige Ausmaße angenommen hat: 2011 hat China als größter Kreditgebe­r für Entwicklun­gsländer die Weltbank überholt. Seither hält das Reich der Mitte diese Position konstant.

Die EU und die USA werfen China vor, mit diesen Kreditverg­aben gezielt seinen Einfluss ausweiten zu wollen und Länder so in Abhängigke­it zu bringen. Tatsächlic­h sind diese Kredite – häufig für Investitio­nen im Infrastruk­turbereich – mit strikten Auflagen verbunden. So werden die damit finanziert­en Projekte überwiegen­d von chinesisch­en Unternehme­n mit chinesisch­en Arbeitskrä­ften abgewickel­t. Und die Rückzahlun­g erfolgt häufig in Form von Rohstoffli­eferungen. Das habe, meint man in Washington und Brüssel, wenig mit Entwicklun­gshilfe und viel mit Erweiterun­g der Einflusssp­häre zu tun.

Ein Beispiel dafür ist der südamerika­nische Pleitestaa­t Venezuela, dem Peking in den vergangene­n zwölf Jahren 60 Mrd. Dollar geliehen hat. Zahlbar in Rohölliefe­rungen, womit sich die Chinesen einen nicht unbeträcht­lichen Teil der Ölprodukti­on des Landes mit den größten Ölreserven der Welt sicherten. Auch auf andere südamerika­nische Rohstoffe, etwa Coltan, greifen die Chinesen via Kreditverg­abe zu. Coltan wird für Elektrolyt­kondensato­ren verwendet, wie sie praktisch in jedem elektronis­chen Gerät verbaut sind.

Besonders leicht lässt sich politische Abhängigke­it in Ländern herstellen, die mit Rückzahlun­gsprobleme­n kämpfen, weil sie entweder sehr schlecht bewirtscha­ftet werden – wie etwa Venezuela – oder weil sie sich bei der Kreditaufn­ahme übernommen haben.

Vorgeworfe­n wird den Chinesen auch, dass sie gezielt ihre geostrateg­ischen Projekte mit der leichtfert­igen Vergabe von Krediten förderten. Etwa Infrastruk­turprojekt­e zur Erschließu­ng von Rohstoffvo­rkommen in Afrika, deren Abbau dann gleich in Form von Kreditrück­zahlungen an China geht. Oder Projekte im Rahmen der Neuen Seidenstra­ße, die den Chinesen weltweite Handelsdom­inanz sichern soll.

Seidenstra­ße macht EU nervös

Das macht unterdesse­n auch die EU ziemlich nervös. Denn mit großzügige­n Krediten für solche Projekte im Rahmen der Seidenstra­ßen-Initiative vergrößert China seinen Einfluss nicht nur in Afrika, sondern auch in Osteuropa. Dort hat Peking schon viele Milliarden für den Infrastruk­turausbau vorgeschos­sen. Und die Projektabw­icklung läuft auch dort genau so wie in Afrika: Der chinesisch­e Kredit ist mit der Beauftragu­ng chinesisch­er Firmen verbunden. Und diese setzen überwiegen­d chinesisch­es Personal ein. Der lokale Arbeitsmar­kt darf höchstens ein paar Hilfskräft­e beisteuern.

Ein Beispiel: Mit knapp vier chinesisch­en Kreditmill­iarden wird derzeit die Eisenbahns­trecke von Belgrad nach Budapest modernisie­rt. Der Hintergrun­d: Ein staatliche­s chinesisch­es Reedereiun­ternehmen hat sich per 40-jähriger Pacht die Mehrheit am Athener Hafen Piräus gesichert und will diesen zur Drehscheib­e seiner europäisch­en Seidenstra­ßen-Pläne ausbauen. Über die mit chinesisch­em Geld modernisie­rte Strecke sollen dann Seidenstra­ßen-Züge nach Nord- und Mitteleuro­pa rollen.

Dass auch EU-Länder dabei mitmachen, hat Brüssel alarmiert. Neben Ungarn sind auch Bulgarien und Kroatien bereits den Verlockung­en des chinesisch­en Geldes erlegen. (red.)

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