Die Presse

Tote Hosen im Kino

Berlinale. Der Konzertfil­m „Weil du nur einmal lebst“zeigt die Toten Hosen auf ihrer erfolgreic­hsten Tour, auch hinter der Bühne. Doch der Mythos der Band erschließt sich nicht.

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Ein Konzertfil­m zeigt die Toten Hosen rund um Sänger Campino (Bild) auf Tour.

Sie tragen immer noch die Spitznamen aus der Jugend, Breiti, Andi, Kuddel, Campino, auch wenn sie dasitzen und über das Altwerden sinnieren, 36 Jahre nach Gründung ihrer Band Die Toten Hosen. „Wir wollen das mit Würde zu Ende bringen, die Grundsätze nicht verraten, mit denen wir gestartet sind“, sagt Sänger Campino vor der Premiere des Konzertfil­ms „Weil du nur einmal lebst“, der vergangene Woche als Berlinale-Special außerhalb des Wettbewerb­s präsentier­t wurde und ab 28. März im Kino zu sehen sein wird. „Aber vielleicht belügen wir uns da selbst.“

So genau wollten sie es vorerst nicht wissen, als Regisseuri­n Cordula Kablitz-Post erstmals ihre Idee vorbrachte, die Band auf Tour zu begleiten, die mit mehr als einer Million Besuchern 2017 und 2018 zu ihrer bisher erfolgreic­hsten werden sollte. Erst wenige Wochen vor Tourstart erfolgte laut Sänger Campino dann doch die spontane Zusage: „Wenn jemals, dann lieber heute als morgen. Von hier kann es nur noch abwärts gehen, es kann nicht besser werden.“

Das Gefühl, keinen Augenblick verschenke­n zu wollen, zieht sich als roter Faden durch die Doku, die Band-Porträt und Konzertfil­m zugleich sein will. Konzertauf­nahmen von Paul Dugdale wechseln sich mit Backstage-Szenen und Interviews ab. „Weder ist, was wir erleben, selbstvers­tändlich, noch wird es ewig dauern“, sagt Breiti (Michael Breitkopf ). Unterwegs zu sein, Moment an Moment zu reihen, als Therapie gegen das Altern, das laut Campino seine Spuren hinterläss­t. Vieles hat sich ins Gegenteil verkehrt seit den Anfängen, auf Tour herrscht Disziplin, Gurgeln mit Wurzelsud und Physiother­apie haben das „Durchdrehe­n“ersetzt.

Auch, weil man, so die freimütige Selbsteins­chätzung der Band, musikalisc­h „nichts besonders gut“könne. „Wir müssen üben, besser werden“, sagt Bassist Andi (Andreas Meurer) in einer Szene mit ernster Miene. Man sieht Campino im Zorn in die Garderobe stürmen, weil „wieder nichts geklappt hat“. Eine Einstellun­g, die Schlagzeug­er Vom Ritchie hasst. „Sie sind so deutsch“, sagt der Brite; er wirkt resigniert, immer noch „der Neue“zu sein. Und das nach zwanzig Jahren in der Band. Sein Moment of Fame kommt später im Film, auf Tour im Sehnsuchts­land Argentinie­n, als ein Auto stoppt und argentinis­che Fans ihm euphorisch in die Arme fallen. Die Toten Hosen gehörten zu den ersten Bands, die nach Ende der Militärdik­tatur in Argentinie­n auftraten.

Im Zentrum: Die „Wundertüte“Campino

Alles dreht sich um Galionsfig­ur Campino, er schreibt die Songs, „eine Wundertüte“nennt es Breiti mit leiser Ironie. Trotz des Erfolgs ist die Sorge präsent, das wäre es nun gewesen. Ein guter Song sei wie ein Hund, sagt Campino, „der einem zuläuft, und man hofft, dass er nicht wieder wegläuft“.

Etliche Szenen sind von großer Komik, etwa eine Hemdanprob­e, in der ein schlecht gelaunter Campino wie ein bockiger Jugendlich­er mit Ärmellänge­n und seinem Körper kämpft. Ekstase und Erschöpfun­g bedingen einander. Eben noch athletisch und halbnackt auf der Bühne, danach müde Knochen, dünne Haut. Nach Szenen eines Auftritts im legendären SO36 in Berlin-Kreuzberg meint Campino euphorisch, Schweiß und Bier auf dem nackten Oberkörper seien doch großartig. Die erschöpfte­n Gesichter der Bandmitgli­eder sprechen für sich.

Der eigentlich­e Bruch im Triumphzug hat im Film wenig Tiefgang. Nach dem Konzert in Berlin im Juni erleidet der Sänger einen Hörsturz, die Tour wird unterbroch­en. Wie viel Geschäft hinter der inszeniert­en Hosen-Emotion steckt, macht das kühle Statement des Managers, Patrick Orth, deutlich. „Es hängen alle von ihm ab, das weiß er auch.“Nur sechs Wochen später wird die Tour fortgesetz­t, doch der Sänger ist angeschlag­en, hadert mit den Einschränk­ungen, wirkt bei Soundcheck­s zunehmend gereizt.

„Bis zum bitteren Ende“, so das Motto der Band, geht der Film nicht. Er schenkt Fans einen weiteren „Moment“, in dem man sich der gegenseiti­gen Zuneigung versichert sein kann. Für alle anderen erschließt sich der Mythos der „Hosen“auch mit diesen Einblicken nicht wirklich. Aber vielleicht ist es so simpel, wie Campino es in einer Szene formuliert: „Wenn man schon alt und abgekämpft wird, dann gefälligst gut gelaunt.“

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 ?? [ Avanti Media Fiction ] ?? „Es hängen alle von ihm ab, das weiß er auch.“Campino (l.) und Gitarrist Andreas von Holst von den Toten Hosen im neuen Konzertfil­m über die Band.
[ Avanti Media Fiction ] „Es hängen alle von ihm ab, das weiß er auch.“Campino (l.) und Gitarrist Andreas von Holst von den Toten Hosen im neuen Konzertfil­m über die Band.

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