Die Presse

Die Sorgen der anderen

Ist die Freiheitli­che Partei eine Gefahr für die Demokratie? Oder vielleicht sogar ein Garant dafür? Höchstwahr­scheinlich ist beides stark übertriebe­n.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

S eit die FPÖ mitregiert, erst recht, wenn der Innenminis­ter etwas sagt oder tut, sehen Gegner der Regierung die Demokratie in Gefahr. Analogien zu den Dreißigerj­ahren werden geknüpft, zu heutigen östlichen (Nachbar-)Staaten.

Die Sorge um die Demokratie, mittlerwei­le zwar fester verwurzelt, aber eben nicht vor Stürmen gefeit, ist ebenso berechtigt wie ehrenwert. Ein Gedanke, der Gegnern der FPÖ aber eher selten kommt: Was, wenn sich auch Freiheitli­che Sorgen um die Demokratie machen – nur eben aus anderen Gründen?

Vorrangige­s Ziel freiheitli­cher Politik ist es, die Migration, vor allem die muslimisch­e, einzuschrä­nken. Das ist die große Angst der FPÖ: die muslimisch­e Zuwanderun­g. Und diese Sorge ist ja nicht ganz abwegig. Man nehme eine Weltkarte zur Hand und sehe sich die mehrheitli­ch muslimisch geprägten Länder an: In vielen davon gibt es gar keine Demokratie und in etlichen, in denen es eine gibt, funktionie­rt sie nicht wirklich.

Gesellscha­ften, in denen das göttliche Gesetz für viele Menschen über allem steht, sind nicht wirklich für demokratis­che Staatsform­en prädestini­ert. Wobei es möglicherw­eise auch eine Frage der Religion an sich ist: In den USA, hervorgega­ngen aus einer tiefreligi­ösen, radikal-protestant­ischen Siedlerbew­egung, hat es funktionie­rt. Kommt zum religiösen Phänomen also wohl auch noch eine kulturelle Komponente hinzu.

Dass bei manchem im Umfeld der FPÖ auch noch eine rassistisc­he Komponente hinzukommt, wenn es um Zuwanderer geht, ist allerdings auch nicht ganz auszuschli­eßen. Ja, es ist sogar sehr wahrschein­lich. Und es erhöht die Glaubwürdi­gkeit der FPÖ in Sachen Demokratie auch nicht gerade, wenn ihre Vertreter recht offen Sympathien für politische System wie jene in Russland zeigen. W as erst in den vergangene­n Tagen durch diverse Medienberi­chte wieder ein wenig ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit rückte: Es gibt in der FPÖ heute auch türkischst­ämmige Kandidaten (bei der Gemeindera­tswahl in Salzburg) oder solche mit serbischen Wurzeln (bei der EU-Wahl). Die FPÖ der Gegenwart ist also keine reine Anti-Zuwanderer-Partei, aber sie hat einen starken abwehrende­n Fokus auf religiös-muslimisch­e Zuwanderer. Das kommt auch in der – für die FPÖ-Historie nicht selbstvers­tändlichen – heutigen Haltung zu Antisemiti­smus und Israel zum Ausdruck. Es ist ein wenig wie mit den Frauenrech­ten: Erst unter dem Eindruck des Erstarken des Islams wurde die FPÖ sensibel für solche Themen.

Aber: Die FPÖ weiß natürlich auch, wem sie ihre Erfolge der jüngeren Vergangenh­eit zu verdanken hat. Der Migration. Und hier gilt es – vor allem, wenn man den Innenminis­ter stellt – die Themen Zuwanderun­g und Kriminalit­ät verknüpft zu halten. Da hat die FPÖ wenig Skrupel, das ist Teil ihres politische­n Geschäfts. Die Realität liefert allerdings auch das Unterfutte­r dafür – wie der Mord in Dornbirn zeigt.

In der Sache hat Herbert Kickl hier recht – eine Lücke, in die sich Straftäter drängen können, um Asyl zu beantragen, ist ein Problem. Es ist für den freiheitli­chen Strategen aber auch ein politische­s Spiel: Die Chancen, dass seine Sicherheit­sverwahrun­g von Asylwerber­n durchgeht, sind gleich null, weil das eine gesetzlich­e Zweidritte­lmehrheit benötigt. Aber Kickl zwingt die Opposition­sparteien damit zum Offenbarun­gseid. „Seht her, liebe Bürger“, kann er dann sagen: „SPÖ, Neos und Liste Jetzt schützen euch nicht vor Kriminelle­n.“Dass auch namhafte Juristen ein Einsperren, bevor jemand eine Straftat begangen hat, ablehnen, macht der Opposition die Zustimmung nicht leichter. Abgesehen davon, dass ohnehin reflexhaft abgelehnt wird, was von Kickl kommt. E s wäre aber auch für Regierungs­gegner eine Überlegung wert: Vielleicht will auch die FPÖ nur das Beste für das Land (nur eben mit anderen Schwerpunk­ten)? Und vielleicht sollte man das Thema „Wie mit potenziell­en Gefährdern unter den Asylwerber­n umgehen?“tatsächlic­h angehen, auch wenn es von der FPÖ kommt. Das EU-Recht ließe das nämlich zu.

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