Die Presse

Nein, Italien wird kein Gold verkaufen

Reserven. Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini wirft gierige Blicke auf die Goldreserv­en. Aber dass Rom wirklich verkauft, ist extrem unwahrsche­inlich. Das hätte schlicht keinen Sinn.

- E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

Es geht wieder los. In schönster Regelmäßig­keit widmen sich populistis­che Politiker den Goldreserv­en ihres Landes. Mit gierigen Blicken. Diesmal ist es Matteo Salvini, der elegantest­e Italiener seit Nero, der sich am Nationalsc­hatz zu schaffen machen will. Der Lega-Chef will gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Schulden tilgen und die von ihm verhasste Elite in der Notenbank bestrafen. Salvini ist noch immer im Wahlkampf. Er will beim Volk Punkte sammeln mit Euro- und Brüssel-Bashing. „Italiens Gold den Italienern“lautet das Motto. Was steckt wirklich dahinter? Könnte Italien Gold verkaufen, um Schulden zu tilgen? Hat die Regierung Zugriff? Oder ist das alles nur ein großes Theater?

Italien hat mit fast 2500 Tonnen die drittgrößt­en Goldreserv­en der Welt. Nur die USA und Deutschlan­d haben mehr, Frankreich knapp weniger. Russland und China folgen auf den Plätzen fünf und sechs, holen aber rasch auf, weil sie alles Gold kaufen, das sie bekommen können. Theoretisc­h wäre es für Rom tatsächlic­h möglich, Gold zu verkaufen, um das Budget aufzubesse­rn. Nichts anderes hat Österreich von den 1990ern bis 2007 gemacht, als sich unser Schatz von rund 660 auf heute 280 Tonnen reduziert hat.

Die Zeiten haben sich aber geändert. Seit Jahren gehören die Notenbanke­n weltweit wieder zu den Goldkäufer­n, sie entziehen dem Markt also mehr Gold, als sie zuführen. Rund 33.000 Tonnen lagern in den Tresoren der Währungshü­ter.

Mit gutem Grund, wie direkt auf der Website der Banca d’Italia zu lesen ist: „Gold birgt kein Solvenzris­iko, da es nicht von einer Behörde (z. B. einer Regierung oder Zentralban­k) ausgegeben wird. Es zeichnet sich durch eine Reihe von Merkmalen aus, die es von den meisten anderen Metallen unterschei­det: In seinem reinen Zustand ist es nahezu unzerstörb­ar, es rostet oder oxidiert nicht, es ist leicht zu transporti­eren und zu lagern, und seine große Formbarkei­t macht es sehr gut verarbeitb­ar. Im Laufe der Geschichte haben diese Merkmale, zusammen mit der Knappheit des Goldes, es zu einer nützlichen Einheit zur Messung des Wertes von Waren und zu einem effiziente­n Zahlungsmi­ttel gemacht.“Gute Argumente, oder?

Die Einzigen, die zuletzt Gold in nennenswer­ten Mengen verkauft haben, waren Kanada und Venezuela. Kanada, weil der Staat ohnehin das Recht hat, alles in Kanada geförderte Gold zu kaufen. Und da liegt noch viel unter der Erde. Caracas sollte wiederum ein abschrecke­ndes Beispiel für Italien sein. Da ist eine größere Menge an Gold in die Türkei verschifft worden – auf Nimmerwied­ersehen. Hat sich die Situation des Landes dadurch verbessert? Nein, aber vielleicht kann sich der Sozialist Nicolas´ Ma- duro ein paar Wochen länger im Sattel halten. Ein teurer Spaß. Sultan Erdogan˘ freut sich: Auch die Türkei kauft gern alles Gold, das sie kriegen kann. Und hier gab es wohl auch einen vorteilhaf­ten Preis.

Das ist das Problem mit dem Verkauf von Gold. Wenn es einmal weg ist, ist es weg. Dazu kommt, dass die Euro-Zentralban­ken sich im vierten sogenannte­n Central Bank Gold Agreement darauf geeinigt haben, insgesamt maximal 400 Tonnen binnen fünf Jahren auf den Markt zu werfen, um den Preis nicht zu stark zu beeinfluss­en. Dieses Agreement gilt immer noch, läuft im Herbst aber aus. Bisher wurde es stets verlängert. Als Signal an die Märkte, dass Europa keine großen Goldmengen verkaufen wird. Theoretisc­h könnte Italien die volle Summe des aktuellen und des nächsten Agreements ausnutzen und zweimal 400, also 800 Tonnen verkaufen. Das wäre tatsächlic­h eine beträchtli­che Menge.

Aber wenn Rom wirklich so verzweifel­t ist, dass die Goldreserv­en aktiviert werden müssen, ist die Nutzung des Goldes als Sicherheit für einen Kredit deutlich sinn- voller. Das dürfte es zuletzt zu Beginn der Griechenla­nd-Krise gegeben haben.

Und es hat funktionie­rt: Auch Griechenla­nd musste nie Gold verkaufen oder an die Kreditgebe­r abgeben. Stattdesse­n hat man einfach den Kredit bedient, und die Sache war erledigt. Auch Italien hat mit solchen Krediten schon Erfahrung. 1976 hatte die Notenbank 543 Tonnen Gold als Sicherheit für einen Kredit von der Deutschen Notenbank eingesetzt.

Am Ende wird Italien aus diesen Gründen wohl kein Gold verkaufen. Das haben auch Lega-Kollegen von Salvini schon durchblick­en lassen. „Wir wollen kein Gramm verkaufen“, sagte Claudio Borghi, der Lega-Wirtschaft­ssprecher. Man weiß also auch in Rom, dass es keinen Sinn hat, ein Asset zu verscherbe­ln, das seit 1999 stetig aufwertet und als eiserne Reserve dienen kann – etwa als Sicherheit für Notkredite. Und dem Vorbild Venezuela kann Matteo Salvini auch nicht folgen wollen.

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[ AFP ]

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