Übernahmen werden immer teurer
M&A. Firmen kaufen oft Mitbewerber aus dem Digitalsektor, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dafür greifen sie immer tiefer in die Tasche. Oft zu Recht, zeigt eine Studie.
19 Mrd. Dollar legte Facebook vor fünf Jahren für den Wettbewerber WhatsApp hin. IBM ließ sich im Vorjahr den Kauf des Linux-Spezialisten Red Hat gar 34 Mrd. Dollar kosten. Der hohe Preis rief jeweils Zweifler auf den Plan. Waren die Übernahmeziele tatsächlich so viel wert? Die Antwort lautet: Für Facebook und IBM schon. Die Unternehmen brauchten genau diese Firmen, um eigene Ziele zu verwirklichen. IBM kann jetzt stärker auf abobasierte Softwareangebote, Cloud- und Cybersicherheitsdienste setzen. Facebook wiederum konnte seine Nutzerbasis verbreitern und an jüngere Kunden herankommen.
Zuletzt häuften sich die Gerüchte um Apple: Ein JP-Morgan-Analyst hielte eine Übernahme von Netflix durch den iPhoneHersteller um 189 Mrd. Dollar für strategisch klug. Dafür müsste Apple einen satten Aufpreis für den gemessen am Kurs-GewinnVerhältnis ohnehin schon teuren StreamingDienstleister hinlegen. Auch über eine mögliche Übernahme von Tesla oder dem Online-Spielehersteller Activision Blizzard durch Apple wurde bereits spekuliert.
Dass solche Szenarien zunehmend für plausibel gehalten werden, hat einen Grund: Übernahmen im Digitalsektor sind in den vergangenen Jahren teurer geworden. Das zeigt auch eine Studie der Boston Consulting Group („Cracking the Code of Digital M&A“): Die Studienautoren haben dabei die Übernahmen im Digitalsektor unter die Lupe genommen. Deren Volumen ist tendenziell gewachsen, gegenüber 2009 hat es sich auf 658 Mrd. Dollar im Jahr 2017 vervierfacht. Der Digitalsektor steht für 24 Prozent aller Übernahmen und Fusionen.
Im Schnitt waren die Übernahmen 151 Mio. Dollar schwer. Nur drei Prozent der Deals umfassten mehr als eine Milliarde Dollar. Doch hatten die Käufer im Jahr 2007 das 20-Fache des operativen Gewinns hingelegt und im Krisenjahr 2009 gar nur das 13-Fache, so ließen sie sich die Zukäufe zuletzt das 26-Fache kosten. Nicht zwingend zu Unrecht, wie die Studienautoren meinen. Die Unternehmen benötigten die Zukäufe vielfach zum Überleben, weil ihr altes Geschäftsmodell infrage gestellt war.
Sie müssen sich dabei auch auf nicht so leicht fassbare Kriterien verlassen, etwa die Vernetzung des Übernahmeziels mit anderen Unternehmen oder seine Wahrnehmung in sozialen Medien. Ein hoher Preis rechne sich, wenn man selbst – durch Kapitalstärke oder Reichweite – das Wachstum des Über- nahmeziels beschleunigen könne oder umgekehrt das Know-how des Übernahmeziels im eigenen Unternehmen einsetzen könne.
So hat der Konsumgüterkonzern Unilever im Jahr 2016 das Unternehmen Dollar Shave Club (DSC) um eine Milliarde Dollar, das Fünffache des Jahresumsatzes, übernommen. DSC verkauft Rasierklingen im Abo. Unilevers Ziel war nicht primär, Rasierklingen zu verkaufen, sondern Know-how im Bereich E-Commerce und Kundenbindung zu erhalten. Inzwischen verkauft Unilever unter anderem auch Haarpflegeprodukte von Nexxus in einigen Ländern im Abonnement. Und sein Online-Umsatz ist seit der Übernahme um 45 Prozent gewachsen. Man habe von DSC lernen können, ohne seine Fehler wiederholen zu müssen, wird ein früherer Unilever-Vizechef zitiert.