Ärzte wollen Altersgrenze zu Fall bringen
Mit 70 Jahren den Kassenvertrag zu verlieren, empfinden einige Mediziner als Altersdiskriminierung.
Vor dem Verfassungsgerichtshof seien die Chancen eher gering, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union jedoch „in relevantem Ausmaß gegeben“: So schätzt der Wiener Rechtsanwalt Karl Newole in einer Erstbegutachtung die Aussichten einer Gruppe von Ärzten ein, die gegen das neue Alterslimit von 70 Jahren für Kassenverträge rechtlich vorgehen wollen. Noch im Frühjahr möchten sie die ersten Schritte setzen.
Es handelt sich um eine Gruppe von Ärzten, die von der Altersgrenze jetzt und in den nächsten drei bis fünf Jahren betroffen sind oder sein werden, dies aber nicht tatenlos hinnehmen wollen. Die Altersgrenze ist dazu gedacht, das Nachrücken jüngerer Ärztegenerationen in Kassenvertragsstellen sicherzustellen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat aber bereits 2013 eine vergleichbare Regelung für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt, die Altersgrenze als ein für ihren Zweck geeignetes Mittel identifiziert.
Newole bedauert, dass der VfGH nicht wie sonst üblich auch die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit geprüft habe. Dabei wäre es doch naheliegend, unter Verweis auf demografische und berufsständische Entwicklungen – Stichwort Ärztemangel – den Bedarf nach der Altersgrenze in Zweifel zu ziehen. Der Anwalt räumt aber ein, dass eine Abkehr des VfGH von seiner Judikatur eher nicht zu erwarten sei.
Hoffnung auf EU-Gerichtshof
Mehr Erfolg verspricht er sich deshalb von einer Befassung des EuGH wegen der EU-rechtlich verbotenen Altersdiskriminierung, wobei allerdings ein österreichisches Gericht mit einem Vorabentscheidungsersuchen „mitspielen“müsste. Der Gerichtshof in Luxemburg hat zwar 2010 eine der österreichischen Regelung ähnliche deutsche Altersgrenze (68 Jahre für Kassenärzte) für in Ordnung befunden. Sie sei ein legitimes arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisches Instrument – jedoch nur, wenn die latente Gefahr bestehe, dass die Zahl der Kassenärzte gemessen am Patientenbedarf überhöht sei. Laut Newole ist der Anteil der Kassenärzte in Deutschland aber wesentlich höher als in Österreich.
Der EuGH beziehe jedenfalls die realen Gegebenheiten von Angebot und Nachfrage viel stärker in seine Prüfung ein als der VfGH. „Hier könnte mittels Vorlage entsprechender Zahlen über Ärztemangel wohl realistisch die Rechtswidrigkeit der Altersgrenze mit dem Resultat der Verdrängung der innerösterreichischen Norm argumentiert werden“, schreibt Newole. (kom)