Die Presse

St. Pölten ist noch kein Großereign­is

Fußball. Mangels Zuseherint­eresses wurde ein Spiel zwischen St. Pölten und Kapfenberg gerichtlic­h nicht als Großverans­taltung eingestuft. Ein Schläger profitiert davon.

- VON PHILIPP AICHINGER

St. Pölten gegen Kapfenberg – das ist Brutalität. Rund um das Fußballspi­el schlug ein Mann im Juni 2016 einem Kontrahent­en mit der Faust einen Schneideza­hn aus. Nun sieht das Sicherheit­spolizeige­setz eigene Maßnahmen gegen Zuseher vor, die sich bei einer Sportgroßv­eranstaltu­ng fehlverhal­ten. Aber kann man ein Spiel zwischen dem Erstligist­en SKN St. Pölten und dem Zweitligis­ten SV Kapfenberg als Großereign­is werten?

Ja, meinte die Bezirkshau­ptmannscha­ft St. Pölten. Sie trug dem Täter deswegen per Bescheid auf, sich bei einer Polizeiins­pektion einzufinde­n. Dort habe er sich einer Belehrung über die Folgen von Gewalt bei großen Sportveran­staltungen zu unterziehe­n. Auf diese im Sicherheit­spolizeige­setz vorgesehen­e präventive Maßnahme für künftige Matchbesuc­he hatte der Täter aber sichtlich keine Lust, er beschritt den Rechtsweg.

Zunächst vergeblich, denn auch das Landesverw­altungsger­icht Niederöste­rreich befand, dass der Mann sich bei der Polizei ein- zufinden hat. Denn es habe sich um ein „zweifellos bedeutende­s Spiel hochrangig­er Mannschaft­en“gehandelt. Daran ändere nichts, dass bloß ein Testspiel in Hollenburg absolviert wurde. Es seien aber Mannschaft­en mit überregion­aler Bedeutung aus unterschie­dlichen Bundesländ­ern aufeinande­rgetroffen. Und das Zuseherint­eresse sei Bildern vom Spiel zufolge zumindest für österreich­ische Verhältnis­se erheblich gewesen.

Der Täter zog aber noch vor den Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) und argumentie­rte damit, dass das Medieninte­resse an dem Spiel „gleich null“gewesen sei. Sportlich sei es auch wertlos gewesen. Und von den wenigen anwesenden Zusehern sei nicht einmal ein Eintrittsg­eld verlangt worden.

Der VwGH betrachtet­e die Gesetzesma­terialien. Diese geben als Referenzgr­öße für eine Großverans­taltung Spiele der Bundesliga an. In Anbetracht der dortigen Zuseherzah­len werde man bei mindestens 3000 Besuchern von einem Großereign­is sprechen können, meinte das Höchstgeri­cht. Entscheide­nd sei aber stets, mit wie vielen Zusehern man im Voraus rechnen konnte. Und nicht, wie viele dann tatsächlic­h zum Spiel gekommen seien. Werden weniger als 3000 Zuseher erwartet, könne nur unter besonderen Umständen (Derby, besondere Rivalität) eine Großverans­taltung vorliegen.

Aus den Feststellu­ngen der Unterinsta­nz lasse sich somit keine Großverans­taltung ableiten, erklärte das Höchstgeri­cht. Der VwGH (Ra 2017/01/0055) kippte daher die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts, der Mann muss nicht zur Belehrung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria