George Soros: Kein finsteres Superhirn, auch kein edles Opfer
Während der Philantrop in Europa für politisch neutrale Initiativen spendet, fördert er in den USA nur explizit Linke.
G eorge Soros polarisiert. Wie andere Philantropen auch, die mit ihrem Geld dieses oder jenes gute Werk unterstützen wollen, wird er von den einen verehrt und gepriesen, von den anderen verteufelt und geschmäht. Als reicher Spender kann man es eben nie allen recht machen. George Soros ist freilich auch eine überaus zwiespältige Persönlichkeit, dessen Spendenfreude man durchaus so oder so sehen kann. Und der amerikanische Autor James Kirchick tut das auch in dem langen Essay „Die zwei Gesichter des George Soros“, das in der Februarausgabe des Berliner Magazins
abgedruckt ist. Seine Einschätzung des Mannes fällt differenziert aus: „So wie Soros kein finsteres Superhirn ist, das die westliche Zivilisation zerstören will, so ist er auch nicht das edel gesinnte, tadellose Opfer, als das ihn linke Hagiografen beschreiben.“Auch seine Aktivitäten in Europa und in den USA bewertet Kirchick sehr unterschiedlich: Während Soros in Europa tatsächlich überwiegend politisch neutrale Initiativen finanziere, die Karl Poppers Vision einer offenen Gesellschaft vorantreiben sollen, fließen seine Spenden in den USA praktisch nur in explizit linke Gruppen und deren gesellschaftliche Anliegen. Laut Kirchick griff ihnen Soros mit 32 Milliarden Dollar unter die Arme, während etwa die viel geschmähten libertären Koch-Brüder, die republikanische Kandidaten und Themen fördern, gerade einmal zwei Milliarden Dollar spendeten.
Dass Soros ausgerechnet in seinem Geburtsland Ungarn zum Gottseibeiuns auserkoren wurde, hat, wie man inzwischen von Viktor Orbans´ Wahlkampfberater George Eli Birnbaum weiß, handfeste Gründe. Birnbaum und sein Kollege Arthur Finkelstein redeten Orban´ im Wahlkampf 2010 ein, dass er ein neues Feindbild brauche – und „Soros war der perfekte Gegner“. Antisemitische Assoziationen wurden und werden von Orban´ und seiner Fidesz-Partei in ihrem Feldzug gegen Soros bewusst in Kauf genommen.
In den USA zählen die Polarisierung und Aufspaltung der Gesellschaft, Parteilichkeit und ein allgemeiner Niedergang des Diskurses mittlerweile zu den ernsthaftesten Problemen. Doch dafür könne man nicht ausschließlich die amerikanischen Rechten verantwortlich machen, schreibt Kirchick: „Zu dem Ausmaß, das diese unheilvollen Erscheinungen auch im linken Lager der USA angenommen haben, hat George Soros nicht unwesentlich beigetragen.“Wie viele andere reiche Menschen auch wolle Soros „eben unbedingt als gesellschaftlich relevanter Intellektueller wahrgenommen werden, hatte aber nicht viel Profundes zu sagen“. D as Geschichtsmagazin der BBC, hat sieben führende Geschichtswissenschaftler gefragt, ob sich die Welt wieder auf ein Zeitalter des politischen Extremismus zubewege. Mehr oder weniger dezidiert verneinten das alle Befragten. Weder gebe es heute eine große linke oder rechte politische Bewegung, die die Revolution propagiere; auch würden keine paramilitärischen Organisationen die Straßen europäischer Städte beherrschen. Faschisten und Kommunisten würden nicht wie in den 1930er-Jahren versuchen, sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen, und im globalen Rahmen die Konfrontation suchen. Der Militarismus spiele keine Rolle und die russische nationale Anmaßung entfalte keine globale Anziehungskraft, analysiert da der berühmte Hitler-Biograf Ian Kershaw. „Wir leben gewiss in gefährlichen Zeiten, aber nicht in einem neuen Zeitalter des Extremismus.“