Die Presse

Mit Tempo 30 durch die Stadt

Verkehr. Das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit fordert Tempo 30 in Städten – zur Sicherheit für Kinder. Kann das helfen?

- VON EVA WINROITHER UND MANFRED SEEH

Das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit fordert Tempo 30 in Städten – zur Sicherheit für Kinder. Kann das wirklich helfen?

Wien. Es gibt wenig Themen, die Autofahrer­n die Zornesröte ins Gesicht treiben: Tempo-30-Zonen gehören wohl dazu. Sie stehen für das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen auf Straßen, die locker für mehr Geschwindi­gkeit ausgebaut sind. Ausgerechn­et diese Zonen fordert das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KFV) nun flächendec­kend für Städte.

Die Tempo-30-Zonen sollen Leben retten. Im Schnitt sterben laut Statistik Austria in Österreich jedes Jahr acht Kinder unter 14 Jahren bei Verkehrsun­fällen. Wie zuletzt jener Neunjährig­e, der von einem Lkw auf einem Zebrastrei­fen überfahren wurde. Doch trägt Tempo 30 wirklich zu mehr Sicherheit bei? Ein Überblick.

1 Wo genau soll die 30-km/h-Beschränku­ng gelten?

Geht es nach dem KFV, soll die Beschränku­ng in Städten gelten – und zwar flächendec­kend. Wobei der Fokus auf das Umfeld von Schulen gelegt werden soll. Trotz- dem wären laut Klaus Robatsch, Leiter des Forschungs­bereichs im KFV, nicht alle Straßen betroffen. Ausnahmen soll es für innerstädt­ische Hauptverke­hrsstraßen wie den Wiener Gürtel geben.

2 Was soll das bringen? Trägt das wirklich zur Sicherheit bei?

Laut Experten: ja. So hätten empirische Studien gezeigt, dass Tempo 30 in der Stadt die Zahl der Verkehrsun­fälle und der verletzten Personen um 20 bis 30 Prozent senken kann, schreibt der Verkehrscl­ub Österreich auf seiner Homepage. Finden trotzdem Zusammenst­öße statt, hätten die Fußgänger und Radfahrer wiederum deutlich größere Überlebens­chancen. Bei einem Aufprall mit 30 km/h stirbt einer von zehn Fußgängern, sagt auch Robatsch. „Ein Unfall bei 60 km/h endet so gut wie immer tödlich.“Übrigens: Ob die Lärmbelast­ung bei Tempo 30 zurückgeht, darüber wird gern gestritten. Und mit Umweltschu­tz – wie gern von den Grünen propagiert – lässt sich Tempo 30 auch schwer argumentie­ren. 2014 kam eine TU-Studie zum Schluss, dass Tempo 30 nicht unbedingt die Luft verbessert, sogar verschlech­tern kann.

3 Wie sieht es bisher aus, gibt es schon Tempo-30-Städte?

Ja. In Wien sind bereits jetzt 80,5 Prozent der Gemeindest­raßen Tempo-30-Zonen. Und wie Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou am Montag ankündigte, werde eine weitere Ausweitung geprüft. Vor den meisten Wiener Schulen gilt Tempo 30. Bald soll es „lückenlos“vor allen gelten. In Graz gilt etwa Tempo 30 fast im gesamten Stadtgebie­t, ausgenomme­n auf Vorrangstr­aßen. Auch Feldkirch und Dornbirn sind weitestgeh­end Tempo-30-Zonen, ebenso die Klagenfurt­er Innenstadt.

4 Wie viele Kinder starben in den vergangene­n Jahren im Verkehr?

Acht Kinder sterben im Schnitt bundesweit jährlich bei Verkehrsun­fällen. 1992 waren es noch 56. Freilich passieren die tödlichen Unfälle nicht alle in der Stadt. Laut Statistik Austria starben 2016 drei Kinder im Ortsgebiet bei Verkehrsun­fällen, drei auf Freilandst­raßen. 2017 waren es drei Kinder im Ortsgebiet und fünf auf Freilandst­raßen. Bei diesen acht Unfällen war die Hälfte der Kinder im Auto unterwegs, drei zu Fuß, eines mit dem Fahrrad.

Verletzung­en sind häufiger. Im Schnitt trifft es 2800 Kinder pro Jahr. 2017 war von 2780 verletzten Kindern fast die Hälfte im Auto unterwegs, 659 zu Fuß, 595 mit dem Rad.

5 Wer will das nicht? Wer sind die Gegner bei der Umsetzung?

In der Bundeshaup­tstadt zählten zuletzt die Wiener Linien (Stichwort Busflotte) zu den Tempo-30-Gegnern. Zudem taten einige Bezirke ihre Ablehnung kund. Auch der Autofahrer­klub ÖAMTC spricht sich gegen pauschale Tempo-30-Zonen aus. Vor Schulen seien diese in der Nacht etwa nicht notwendig.

 ?? [ Reuters ] ?? Tempo 30 in ganz Wien? Schon jetzt gilt für 80 Prozent der Wiener Gemeindest­raßen diese Grenze.
[ Reuters ] Tempo 30 in ganz Wien? Schon jetzt gilt für 80 Prozent der Wiener Gemeindest­raßen diese Grenze.

Newspapers in German

Newspapers from Austria