Österreich nimmt IS-Frau zurück
Terror. Außenamt ist grundsätzlich bereit, Staatsbürgern Rückkehr zu erlauben, die sich IS angeschlossen haben. Derzeit nur ein Fall: eine 20-jährige Wienerin und ihr Sohn.
Es war einer dieser Tweets aus dem Weißen Haus, die Europas Staatskanzleien in Aufruhr versetzen. „Die USA fordern Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die anderen europäischen Verbündeten auf, mehr als 800 IS-Kämpfer, die wir in Syrien gefangen haben, zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen“, ließ US-Präsident Donald Trump die Welt per Twitter wissen – und fügte dann noch eine kleine Drohung hinzu: „Die Alternative wäre nicht gut: Wir wären gezwungen, sie sonst freizulassen.“
Am Montag kamen die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Brüssel an keinem Mikrofon vorbei, ohne auf Trumps dringenden Wunsch angesprochen zu werden. Die meisten wanden sich. Einige sagten klipp und klar ab. Auch Außenministerin Karin Kneissl formulierte vorsichtig, doch zwei Tage vor dem Besuch von Kanzler Kurz in Washington deutlich positiver als andere Kollegen. Es gelte, jede einzelne Biografie anzusehen, erklärte sie, erwähnte jedoch „prioritäre Fälle“, etwa den, bei dem es um ein zweijähriges Kind gehe. „Hier greifen Überlegungen der konsularischen Schutzpflicht.“ Wird Rotes Kreuz eingeschaltet?
Der Nachdenkprozess scheint bereits abgeschlossen zu sein. „Österreich ist grundsätzlich bereit, Staatsbürgern, die sich dem IS angeschlossen haben, in Zusammenarbeit mit den Justiz- und Sicherheitsbehörden die Rückkehr zu gestatten“, sagte Peter Guschelbauer, der Sprecher des Wiener Außenamts, zur „Presse“. Ganz so einfach sei das jedoch nicht, weder logistisch noch rechtlich. Denn der Aufenthaltsort etwaiger österreichischer IS-Gefangener befinde sich im Kriegsgebiet. Und es sei keinem Beamten zumutbar, sein Leben für eine Überstellung zu riskieren.
Derzeit gibt es jedoch nur genau einen Fall. Und über die Rückholaktion wird nach Informationen der „Presse“bereits nachgedacht. Es handelt sich um die Causa, die Außenministerin Kneissl in Brüssel angedeutet hat. Demnach könnte das Internationale Rote Kreuz eingeschaltet werden, um eine 20-jährige Wienerin und ihren fast zweijäh- rigen Sohn aus dem Rosh-Camp in Nordsyrien abzuholen. In diesem Gefangenenlager hält das kurdisch dominierte Militärbündnis Demokratische Kräfte Syriens 500 Frauen fest, die dem sogenannten Islamischen Staat angehört haben. Ungefähr 100 kommen aus Europa, eine davon aus Wien. Sie folgte 2015 mit 16 Jahren ihrem afghanischen Mann zum IS und lebte danach in Raqqa. Im Oktober 2017 flüchtete sie mit ihrem Baby aus der damals heftig umkämpften und mittlerweile eroberten Hauptstadt des Kalifats. Die österreichische Staatsbürgerin will seither zurück in ihre Heimat. Das sagte sie nicht nur ihrer Mutter, sondern auch dem „Presse“-Reporter Alfred Hackensberger sowie dem Politologen und Kurden-Experten Thomas Schmidinger, der sie Mitte Jänner im Rosh-Camp besuchte.
Zwei oder drei weitere IS-Frauen
Nach Recherchen von Schmidinger in Syrien und im Irak ist die 20-Jährige die einzige österreichische IS-Anhängerin in kurdischer Haft. Zwei weitere Österreicherinnen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine vierte hätten sich vor etwa einer Woche noch mit ihren Kindern nahe dem umkämpften syrischen Dorf Baghouz aufgehalten, der letzten Enklave des IS am Ufer des Euphrat. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese Bastion der radikalen Islamisten fällt.
Nach Schätzungen des Innenministeriums könnten sich derzeit von ursprünglich 320 immer noch rund 100 Jihadisten in Nahost herumtreiben, die aus Österreich zum IS geströmt sind. Lediglich ein Drittel davon, also rund 30 Personen, seien österreichische Staatsbürger. Davon wiederum seien insgesamt ungefähr sechs Frauen und Kinder, wie Christoph Pölzl, der Sprecher des Innenministeriums, der „Presse“mitteilte.
Kein männlicher Austrokämpfer
Und um sie geht es. Diese Frauen und Kinder könnten nun nach Österreich zurückgeholt werden. Schmidinger zufolge ist derzeit weder in Syrien noch im Irak ein männlicher österreichischer IS-Kämpfer inhaftiert.
In Österreich wartet auf die Anhänger des Islamischen Staats ein Gerichtsverfahren – wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Die Staatsbürgerschaft allerdings kann ihnen, anders als von Politikern vor einiger Zeit gefordert, nicht aberkannt werden. Österreich ist verpflichtet, sie zurückzunehmen. Ungefähr 90 Jihadisten sind übrigens bereits nach Österreich zurückgekehrt. Alle angeklagt, einige verurteilt – und manche von ihnen sogar wieder frei.