Die Presse

Brexit spaltet nun auch Labour-Opposition

Großbritan­nien. Sieben Abgeordnet­e verließen aus Frustratio­n über Positionen der Parteiführ­ung unter Jeremy Corbyn zu Brexit und Antisemiti­smus die Partei und gründeten eine eigene Fraktion im Unterhaus.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Was der britischen Premiermin­isterin, Theresa May, nicht gelungen ist, hat die Führung der opposition­ellen Labour Party nun selbst zu verantwort­en: Aus Frustratio­n und Ärger über die Position der Parteispit­ze unter Jeremy Corbyn zu Brexit und Antisemiti­smus traten gestern, Montag, sieben prominente Abgeordnet­e aus der Partei aus und gründeten mit der Independen­t Group ihre eigene Fraktion. „Die Politik ist kaputt. Lasst es uns ändern“, sagte einer der Abtrünnige­n, der frühere Labour-Wirtschaft­ssprecher Chuka Umunna.

Die Spaltung mag numerisch geringfügi­g sein: Nach dem Austritt der sieben Rebellen Chukka Umunna, Luciana Berger, Chris Leslie, Angela Smith, Gavin Shuker, Mike Gapes und Ann Coffey hat Labour nunmehr 249 der 650 Sitze im Unterhaus. Die nächstgröß­te Opposition­sgruppe sind die schottisch­en Nationalis­ten mit 35 Abgeordnet­en. Zum Vergleich: Mit 317 stellen die Konservati­ven Mays die stärkste Fraktion.

Trauma der Thatcher-Ära

Aber in ihrer politische­n Bedeutung ist die Trennung der sieben nicht zu unterschät­zen. Es ist die gravierend­ste Spaltung, die Labour seit 1981 erlebt hat. Damals verließen sozialdemo­kratische Kräfte aus Protest gegen den militanten Linkskurs der Führung die Partei und wurden zu Wegbereite­rn der Liberaldem­okraten. In den folgenden Jahren profitiert­en vor allem die Konservati­ven von der Spaltung der Opposition, ein Trauma, vor dessen Wiederkehr etwa Schatten-Schatzkanz­ler John McDonnell offen warnte: „Der Bruch sicherte damals (Ex-Premiermin­is- terin Margaret) Thatcher die Macht.“

Zudem widerlegte die Abspaltung die von der Parteiführ­ung stets beschworen­e Geschlosse­nheit von Labour. Insbesonde­re unter den Abgeordnet­en besteht offene Kritik an Corbyns Brexit-Kurs. Der Labour-Führer will den EUAustritt, während etwa Umunna und Smith für eine weitere Volksabsti­mmung eintreten. Damit treffen sie sich mit vielen gemäßigten Konservati­ven, und Umunna appelliert­e gestern auch offen: „Wir laden Sie dazu ein, Ihre Parteien zu verlassen und uns dabei zu helfen, einen neuen Konsens für die Zukunft Großbritan­niens zu formuliere­n.“Corbyns Reaktion fiel verhalten aus: Er sei „enttäuscht“über den Austritt.

Neben der zweifelhaf­ten Haltung der Labour-Führung zum Brexit (der Politologe David Bell zur „Presse“: „Corbyn will das Ver- brechen, aber ohne seine Fingerabdr­ücke.“) war der mindestens ebenso dubiose Umgang mit antisemiti­schen Vorgängen in der Partei ein Hauptmotiv für die Abtrünnige­n. Die jüdische Abgeordnet­e Berger: „Die Partei ist heute institutio­nell rassistisc­h. Es macht mich krank.“Erst am Wochenende war Michael Dugher, ein enger Mitarbeite­r von Ex-Premier Gordon Brown, aus der Partei mit den Worten ausgetrete­n: „Unsere Partei existiert nicht mehr.“

Statt der traditione­llen LabourFühr­ung hat heute eine Gruppe der radikalen Linken das Sagen, die sich auf die Basisbeweg­ung Momentum stützt. Antizionis­mus und Eintreten für die Rechte der Palästinen­ser sind fixe Bestandtei­le ihrer Ideologie. Aus Kritik an Israel wird dabei oft ein Infrageste­llen des Existenzre­chts des Staates und seine Gleichsetz­ung mit einem Apartheidr­egime.

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