Die Presse

Neue Zwischenlö­sung für den Euro

Die EZB hat viel vor: Die Banken sollen wieder billiges Geld bekommen. Dann sollen die Zinsen wieder steigen – und der Euro internatio­nal etabliert werden. Wann und wie, ist aber unklar.

- NIKOLAUS JILCH

Die Europäisch­e Zentralban­k sucht ihren Kurs. Nach Jahren der extrem lockeren Geldpoliti­k will man den Zins bald anheben. Eigentlich. Und nach Jahrzehnte­n will man die Rolle des Euro in der Welt gestärkt wissen. Prinzipiel­l. Aber die Notenbanke­r scheinen sich nicht sicher zu sein, was der beste Weg ist, diese Ziele zu erreichen. Bei der Geldpoliti­k fährt man in zwei Richtungen gleichzeit­ig. Nach dem Ende der Anleihenkä­ufe, also einer Straffung, soll jetzt eine Lockerung folgen: frisches Geld für die Banken. Und die internatio­nale Rolle des Euro will man zwar ausbauen, aber nicht um jeden Preis. Und auch nicht so, wie die Kommission in Brüssel sich das vorstellt.

Der Reihe nach: Das Ende der Anleihenkä­ufe ist ein gutes Zeichen, weil es eine Normalisie­rung signalisie­rt. Aber jetzt schwächelt die Wirtschaft in Europa. Also hat man ein Zuckerl vorbereite­t. Die Notenbank könnte eine neue Runde billiger und langfristi­ger Kredite an Banken vergeben, sagte EZBRatsmit­glied Benoˆıt Coeure´ am Freitag. Die aktuelle Runde der sogenannte­n Targeted Long-Term Refinancin­g Operation (TLTRO) läuft nämlich 2020 aus – und schon gibt es Sorgen um Banken in Südeuropa. Neue Kredite würde es aber nur geben, um „ein Ziel“zu verfolgen, sagte der Franzose.

Es geht ihm wohl um das Inflations­ziel der EZB, also die Teuerung. Übersetzt: Die Notenbanke­r wollen nicht bloß den Banken helfen, sondern das Geld auch in die Wirtschaft fließen sehen, in der es die Inflation anheizen kann. Das ergibt Sinn. An den Börsen gab es auch eine interessan­te Reaktion auf die Aussagen. Nicht nur der Bankensekt­or konnte dazugewinn­en, sondern der ganze europäisch­e Markt. Ein positives Zeichen. Denn bisher konnte die europäisch­e Wirtschaft trotz ihrer Orientieru­ng auf Exporte vom schwachen Eurokurs kaum profitiere­n.

Manche Beobachter mutmaßen jetzt, dass es noch diesen einen Push aus der EZB braucht. Dass man den Wechselkur­s noch weiter schwächen müsse, um der Wirtschaft zu helfen. Andere widersprec­hen und verweisen auf das langsamere Wachstum und die vielen Unsicherhe­iten. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Auch wenn frisches Geld hilft, es kann nur eine Zwischenlö­sung sein. Vor allem, weil die EZB ja bald eine strengere Geldpoliti­k fahren will und die Zinsen steigen sollen. Benoˆıt Coeure´ wünscht sich auch deswegen eine stärkere Rolle des Euro in der Welt. Das würde auch der Geldpoliti­k helfen, sagte er. So wie die EU-Kommission sieht auch die EZB die Zeit gekommen, den Euro internatio­nal zu etablieren und ihn zu einem ernst zu nehmenden Gegenspiel­er für den Dollar auszubauen – als Energie-, Rohstoff- und Reservewäh­rung.

Einzig: Während EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker offen fordert, den Euro verstärkt als Ölwährung einzusetze­n, und in Brüssel auch eine Arbeitsgru­ppe zu dem Thema eingericht­et hat, üben die Notenbanke­r sich in Zurückhalt­ung. Man will den Markt entscheide­n lassen.

Heißt: Die EZB wünscht sich vertiefte, europäisch­e Kapitalmär­kte, in die Anleger in Stresszeit­en flüchten können wie in jene Amerikas. Aber noch fehle das passende Asset, so Benoˆıt Coeure.´ Er meint Eurobonds, ohne es zu sagen. Also gemeinsame Schuldpapi­ere der Eurostaate­n.

„Wir wissen, dass die Reise zu einem echten europäisch­en und sicheren Asset, das in schlechten Zeiten nicht verschwind­et, lang und voller Gefahren sein wird.“Was er wohl sagen will: Eine schnelle Lösung, wie Brüssel sie wünscht, ist nicht in Sicht.

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