Neue Zwischenlösung für den Euro
Die EZB hat viel vor: Die Banken sollen wieder billiges Geld bekommen. Dann sollen die Zinsen wieder steigen – und der Euro international etabliert werden. Wann und wie, ist aber unklar.
Die Europäische Zentralbank sucht ihren Kurs. Nach Jahren der extrem lockeren Geldpolitik will man den Zins bald anheben. Eigentlich. Und nach Jahrzehnten will man die Rolle des Euro in der Welt gestärkt wissen. Prinzipiell. Aber die Notenbanker scheinen sich nicht sicher zu sein, was der beste Weg ist, diese Ziele zu erreichen. Bei der Geldpolitik fährt man in zwei Richtungen gleichzeitig. Nach dem Ende der Anleihenkäufe, also einer Straffung, soll jetzt eine Lockerung folgen: frisches Geld für die Banken. Und die internationale Rolle des Euro will man zwar ausbauen, aber nicht um jeden Preis. Und auch nicht so, wie die Kommission in Brüssel sich das vorstellt.
Der Reihe nach: Das Ende der Anleihenkäufe ist ein gutes Zeichen, weil es eine Normalisierung signalisiert. Aber jetzt schwächelt die Wirtschaft in Europa. Also hat man ein Zuckerl vorbereitet. Die Notenbank könnte eine neue Runde billiger und langfristiger Kredite an Banken vergeben, sagte EZBRatsmitglied Benoˆıt Coeure´ am Freitag. Die aktuelle Runde der sogenannten Targeted Long-Term Refinancing Operation (TLTRO) läuft nämlich 2020 aus – und schon gibt es Sorgen um Banken in Südeuropa. Neue Kredite würde es aber nur geben, um „ein Ziel“zu verfolgen, sagte der Franzose.
Es geht ihm wohl um das Inflationsziel der EZB, also die Teuerung. Übersetzt: Die Notenbanker wollen nicht bloß den Banken helfen, sondern das Geld auch in die Wirtschaft fließen sehen, in der es die Inflation anheizen kann. Das ergibt Sinn. An den Börsen gab es auch eine interessante Reaktion auf die Aussagen. Nicht nur der Bankensektor konnte dazugewinnen, sondern der ganze europäische Markt. Ein positives Zeichen. Denn bisher konnte die europäische Wirtschaft trotz ihrer Orientierung auf Exporte vom schwachen Eurokurs kaum profitieren.
Manche Beobachter mutmaßen jetzt, dass es noch diesen einen Push aus der EZB braucht. Dass man den Wechselkurs noch weiter schwächen müsse, um der Wirtschaft zu helfen. Andere widersprechen und verweisen auf das langsamere Wachstum und die vielen Unsicherheiten. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Auch wenn frisches Geld hilft, es kann nur eine Zwischenlösung sein. Vor allem, weil die EZB ja bald eine strengere Geldpolitik fahren will und die Zinsen steigen sollen. Benoˆıt Coeure´ wünscht sich auch deswegen eine stärkere Rolle des Euro in der Welt. Das würde auch der Geldpolitik helfen, sagte er. So wie die EU-Kommission sieht auch die EZB die Zeit gekommen, den Euro international zu etablieren und ihn zu einem ernst zu nehmenden Gegenspieler für den Dollar auszubauen – als Energie-, Rohstoff- und Reservewährung.
Einzig: Während EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker offen fordert, den Euro verstärkt als Ölwährung einzusetzen, und in Brüssel auch eine Arbeitsgruppe zu dem Thema eingerichtet hat, üben die Notenbanker sich in Zurückhaltung. Man will den Markt entscheiden lassen.
Heißt: Die EZB wünscht sich vertiefte, europäische Kapitalmärkte, in die Anleger in Stresszeiten flüchten können wie in jene Amerikas. Aber noch fehle das passende Asset, so Benoˆıt Coeure.´ Er meint Eurobonds, ohne es zu sagen. Also gemeinsame Schuldpapiere der Eurostaaten.
„Wir wissen, dass die Reise zu einem echten europäischen und sicheren Asset, das in schlechten Zeiten nicht verschwindet, lang und voller Gefahren sein wird.“Was er wohl sagen will: Eine schnelle Lösung, wie Brüssel sie wünscht, ist nicht in Sicht.