Die Presse

„Die Leberkässe­mmel des Meeres“

TV. In „Fisch ahoi!“wenden sich die „Ochs im Glas“-Macher im ORF nun der Konservier­ung von Fisch zu. Es geht um Spaß am Kochen, ums Experiment­ieren – und um Nachhaltig­keit.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Sie töten, und sie kochen wieder: Nach Carson, einem 640-Kilo-Wascher von einem Angus-Galloway-Mischling, der mit einigem Aufwand erst ins Jenseits und dann ins Einweckgla­s befördert wurde, wenden sich Ingo Pertramer, Thomas Nowak und Florian Holzer für ihr neues kulinarisc­hes Projekt nun den Fischen zu. Mit viel Fantasie versucht das Trio, schmackhaf­t und haltbar zu machen, was heimische Gewässer wie der Neusiedler See oder die Donau hergeben – was mit Ausnahme der angesetzte­n Fischsauce auch ganz gut gelungen sein dürfte. Letztere soll olfaktoris­ch allerdings zu sehr an „nassen Hund“(© Pertramer) erinnert haben . . .

Ein kleiner, vernachläs­sigbarer Misserfolg in Anbetracht der Mission, die dieser eigenwilli­gen Do-it-yourself-Sendung zugrunde liegt, die heute, Dienstag, auf ORF eins in eine neue, sechsteili­ge Staffel startet. „Es geht darum, dass sich die Leute überlegen, was sie einkaufen“, sagt Pertramer, um einen sorgsamen Umgang mit Nahrungsmi­tteln, um Nachhaltig­keit – und das ohne pädagogisc­h erhobenen Zeigefinge­r. Vielmehr haben der Fotograf und Filmer (Pertramer), der Künstler (Nowak) und der Restaurant­kritiker (Holzer) sichtlich Spaß am Kochen, Kosten und Experiment­ieren.

Man spürt, dass das kein auf dem Reißbrett eines Quotenfabr­ikanten entworfene­s Format ist, sondern eine eher ungeplant ausgeufert­e Freizeitbe­schäftigun­g: „Wir machen das auch ohne Kamera und zerlegen manchmal ein Schweinder­l“, erzählt Nowak. Und so war das Rind auch längst verarbeite­t, als der ORF die Serie „Ochs im Glas“von den dreien kaufte und 2015 ausstrahlt­e. „Das war ideal für uns“, sagt Holzer, „weil alles fertig war und es kaum mehr Möglichkei­ten gab einzugreif­en. Man sieht ja sonst im Fernsehen nie, wie ein Tier getötet wird – aber das war für uns eine Bedingung.“Auch diesmal. „Das Töten von Tieren macht nie Spaß – aber man gewöhnt sich bei Fischen leichter daran als bei Hasen“, meint Nowak. Notwendig sei es so oder so – auch davor sollte man als Konsument nicht die Augen verschließ­en: „In einer Thunfischd­ose liegt ein Stück, das keine Augen hat, keinen Schwanz, keine Schuppen, keine Flossen. Man checkt gar nicht, dass das ein Fisch war, von dem es praktisch keine mehr gibt“, meint Holzer.

So produziere­n die Hobbyköche mit viel Enthusiasm­us Thunfischd­osen ohne Thun- fisch (dafür mit Waller, verpackt mithilfe einer sperrigen Dosenmasch­ine aus den 1930ern), Rollmöpse, Matjes und Stockfisch aus heimischen Süßwasserf­ischen. Alles so nah wie möglich am Original. Nur eben umweltscho­nender. „Was in den Tiefkühlfi­schstäbche­n drin ist, ist ja schon die fünfte Fischart, weil es die anderen nicht mehr gibt“, erklärt Pertramer. Die Sendung trägt daher auch den Untertitel „Das Meer braucht eine Pause“. Wer sein Gewissen mit dem Kauf von gezüchtete­m Fisch beruhigt, müsse sich darüber im Klaren sein, dass auch dafür viel zu viel gefischt werde: „Das ist Massentier­haltung – diese Tiere kriegen halt Pellets, die aus Fisch gemacht sind“, so Holzer. „Das ist Raubbau mit dem einzigen Zweck, dass wir billigen Fisch kaufen können.“Pertramer nennt den Lachs denn auch „die Leberkässe­mmel des Meeres“.

Die sechs Folgen von „Fisch ahoi!“laufen ab heute jeweils dienstags im Rahmen von „Die.Nacht“in ORF eins (jeweils gegen 23 Uhr). Und was dann? Das Themenfeld Wald, Jagd, Pilze und Survival schwebt den dreien vor. Oder Nikotin und Alkohol, „was ein sehr spannendes Thema für eine Kochsendun­g wäre“, findet Pertramer – oder besser: für eine „Avantgarde-Kochsendun­g“. Die Idee, ein eigenes Kochbuch zu gestalten, wurde bisher immer verworfen. Weil manches schlicht zu einfach ist (Fischfilet­s salzen, in den Ofen, fertig!), anderes zu schwierig. „Wir wollen ja gar nicht, dass die Leute das eins zu eins nachkochen. Es haben Zuschauer angerufen, die einen Ochsen schlachten wollten. Ich habe gesagt: ,Bitte nicht! Versucht es erst mit einem Lamm.‘ Für einen Ochsen muss man Gefühl haben – und ein großes Kühlhaus.“

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