Die Presse

Ein Memento voller Wehmut

Konzerthau­s. Dem Andenken an Bruno Ganz widmete der Pianist Kirill Gerstein seinen Soloabend. Ein großer, berührende­r Auftritt.

- VON WALTER DOBNER

Noch im Dezember hätte Kirill Gerstein mit Bruno Ganz im Konzerthau­s auftreten sollen. Dessen Krankheit ließ es nicht mehr zu. Eine berührende Geste, dass der Pianist mit diesem Recital seines besonderen Partners gedachte. Angekündig­t hat er dies nicht gleich zu Beginn seines Abends, den er mit der „Eroica“-Etüde von Liszt eindrucksv­oll begann und weniger eindrückli­ch mit Beethovens „Eroica“-Variatione­n fortsetzte. Sondern erst vor dem dritten Programmpu­nkt, Leosˇ Jana´ceksˇ Klavierson­ate 1. X. 1905, deren zweiter Satz, ein Adagio, mit „Tod“übertitelt ist. Der Komponist erinnert damit an die tragischen Ereignisse der Brünner Straßenunr­uhen von 1905, bei denen ein tschechisc­her Arbeiter sein Leben lassen musste. Gerstein machte mit seiner von großer Wehmut geprägten Darstellun­g klar, dass er diesen Satz diesmal als sehr persönlich­es Memento für seinen verstorben­en Künstlerfr­eund verstanden wissen wollte. Auch sonst setzte Gerstein auf Werke, die in Zeiten schwierige­r Umbrüche entstanden sind. Wie zwei pointierte Tänze des lebenslang verfolgten armenische­n Komponiste­n Komitas Vardapet. Oder Debussys „Les soirs illumines´ par l’ardeur du charbon“, der anhand eines Baudelaire-Textes die Kohleknapp­heit im Ersten Weltkrieg thematisie­rt. Gerstein verknüpfte diese Konzerthau­s-Erstauffüh­rung mit dem ebenso sensibel artikulier­ten letzten Debussy-Klavierstü­ck, „E´le´gie“.

Auch eine Uraufführu­ng hatte er mitgebrach­t: Thomas Ad`es’ zwischen Subtilität und heftigen Ausbrüchen changieren­de Berceuse¸ aus dessen 2016 bei den Salzburger Festspiele­n uraufgefüh­rter Oper „The Exterminat­ing Angel“. Die packendste­n Momente seines begeistert gefeierten Recitals bescherte dieser eminente Techniker aber mit Liszts trauermars­chartigen „Funeraille­s“.´ Und mit seiner gedankenvo­llen, von mitreißend­er Virtuositä­t erfüllten Lesart von Ravels „Le tombeau de Couperin“: Ein Denkmal für im Ersten Weltkrieg gefallene Freunde.

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