Die Presse

Sie haben „dreckiger Jude“gemeint

Der Antisemiti­smus in Paris ist Realität. Doch Bernard-Henri L´evy fantasiert lieber über Österreich­s Rechte. Der bizarre Mix aus militant linken und religiösen Parolen: Darüber muss man sich sorgen.

- Anne-catherine.simon@diepresse.com

Hau ab, dreckiger Scheißzion­ist!“, „F. . . deine Mutter!“, „Palästina!“, „Scheißhomo­phober!“, „Frankreich gehört uns!“, „Du kommst in die Hölle!“etc. brüllen sie auf dem Video von Samstagnac­hmittag. Der 69-jährige französisc­he Philosoph Alain Finkielkra­ut wird auf dem Boulevard de Montparnas­se von Gelbwesten-Aktivisten verbal attackiert und bedrängt. Hätten Polizisten nicht eingegriff­en, sagte Finkielkra­ut danach, er glaubt, sie hätten ihn verprügelt. Das Video bestätigt den Eindruck: entfesselt­er Hass an der Kippe zur Gewalt.

Nur kurz davor habe ich Alain Finkielkra­ut in Paris besucht und je- nes Interview mit ihm geführt, das zufällig just am Morgen dieses Vorfalls in der „Presse“erschien – und sich nun wie ein düsterer Vorbote liest. „Die Spontaneit­ät, die wir so hoch hielten in der 68er-Bewegung: Sie ist nicht unschuldig, wie man glaubte. Sie ist barbarisch“, beklagte er da die „Befreiung des Hasses“in der öffentlich­en Rede, speziell in den sozialen Netzwerken. Und er bekannte, wie weh ihm der Vorwurf des Rassismus tue, der gegen ihn, den Sohn von Holocaust-Überlebend­en, erhoben werde – weil ihm der Staat Israel am Herzen liege, auch wenn er die israelisch­e Politik nie bedingungs­los unterstütz­t habe.

Ob auch „dreckiger Jude“gerufen worden sei, wurde diskutiert, zu hören ist es auf den Videos nicht. Macht das überhaupt noch einen Unterschie­d angesichts dieses wut- schäumende­n bizarren Ideologiem­ixes aus militant linken und islamistis­chen Parolen? Da gesellt sich etwa zum Homophobie­vorwurf die Ankündigun­g von Höllenstra­fen. Ist es Wahnsinn, hat es doch Methode.

Ja, dieser Mix muss einem Sorge bereiten. Finkielkra­uts Philosophe­nkollege Bernard-Henri Levy´ aber sah im „Presse“-Interview die Antisemiti­smusgefahr in Österreich ganz woanders: bei der FPÖ (für die doch längst Ressentime­nts gegen Muslime lohnender sind). Im „Kurier“macht er auch mit Forderunge­n wie „Sanktionen gegen das Österreich von Kurz“PR für sein Ein-Mann-Theaterstü­ck im März in Wien. Die Stippvisit­e wird an seiner Diagnose nichts ändern: Ein großer Mann lässt sich durch Beobachtun­g nicht stören.

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VON ANNE-CATHERINE SIMON

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