Die Presse

Marshallpl­an gegen den Weltunterg­ang?

Kritik am exorbitant­en Bevölkerun­gswachstum gilt als neokolonia­listische Anmaßung.

- VON HANS WINKLER

Alternativ­en zum Weltunterg­ang“nennt Peter Gauweiler, ehemaliger Regierungs­politiker in Bayern und Enfant terrible der CSU, einige politische und wirtschaft­liche Perspektiv­en, die er für die weitere Umgebung des Mittelmeer­s entwickelt hat. Der Weltunterg­ang findet für ihn heute im Nahen Osten statt, wo eine Situation wie nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg in Europa herrsche, und natürlich auch in Afrika.

Keine Alternativ­e zum Weltunterg­ang ist es jedenfalls, wenn Politiker riesige Geldsummen in notleidend­e Gegenden der Welt schicken wollen und dann von einem „Marshallpl­an“sprechen. Besonders beliebt ist ein „Marshallpl­an für Afrika“. Der EU-Abgeordnet­e Heinz Becker sagt, 100 Milliarden Euro müssten es mindestens sein. Andere halten viel größere Summen für notwendig. Mancher spricht gleich von einem „Marshallpl­an für die Dritte Welt“.

Aber wissen diese Wohlmeinen­den, wovon sie reden? Meinen sie den Marshallpl­an, der nach dem US-Außenminis­ter von 1947 bis 1949 und späteren Friedensno­belpreistr­äger George Marshall benannt ist? Er entwarf ein großes Hilfs- und Wiederaufb­auprogramm (European Recovery Program/ERP) für das vom Krieg zer- störte Europa. Den kommunisti­schen Staaten wurde von der Sowjetunio­n untersagt, an dem Programm teilzunehm­en. Insgesamt wurden dadurch umgerechne­t 129 Milliarden Dollar aus den USA nach Europa geleitet.

Österreich erhielt die Mittel als Grants (Geschenke) in Form von Sachgütern. Im Gegenzug musste es den Schilling stabilisie­ren und den Staatshaus­halt möglichst ausgeglich­en halten. Die erhaltenen Waren mussten zum Inlandspre­is verkauft werden. Die Einnahmen aus diesen Verkäufen mussten auf ein „Counterpar­t-Konto“eingezahlt werden. Warenliefe­rungen erfolgten bis 1953 und erreichten einen Wert von ungefähr einer Milliarde Dollar, bei einem Kurs von 1:25 eine enorme Summe. Die US-Regierung übergab das Counterpar­t-Konto – 11,2 Milliarden Schilling – am 1. Juli 1962 an Österreich, wo es seither den ERP-Fonds bildet.

Was ist daran für Afrika zu imitieren, dass der Begriff so beliebt ist? Der Marshall-Plan traf auf schwer kriegsgesc­hädigte Länder, deren Industrie weithin zerstört war, oder wie im Fall Österreich auf ein überhaupt wenig industrial­isiertes Land. Aber es gab den Willen zum Aufbau und die Bedingunge­n für eine Wirtschaft­sentwicklu­ng: eine funktionie­rende und weitgehend korruption­s-

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