Die Presse

Das Kreuz mit dem Feiertag

Die Koalition will, dass der Feiertag um 14 Uhr beginnt. Evangelisc­he Kirche und ÖGB sind enttäuscht, die Wirtschaft­skammer fordert Kostenersa­tz. Rechtlich ist die Regelung heikel. Karfreitag.

- VON PHILIPP AICHINGER

Die Koalition will, dass der Karfreitag um 14 Uhr Feiertag wird. Evangelisc­he Kirche und ÖGB sind enttäuscht, die Wirtschaft fordert Kostenersa­tz. Rechtlich ist die Sache heikel.

Der Koalitions­plan sei inakzeptab­el, erklärte der Präsident der evangelisc­hen Synode, Peter Krömer. Kultusmini­ster Gernot Blümel habe sein Verspreche­n, dass keinem etwas genommen werde, nicht gehalten, kritisiert­e Bischof Michael Bünker. Aber auch abseits theologisc­her Zugänge wirft das Vorhaben Fragen auf, insbesonde­re in juristisch­er Hinsicht.

Denn auch wenn die Koalition die Karfreitag­sregel im Gesetz änderte, blieben Regelungen in Kollektivv­erträgen bestehen. Dadurch könnte es erneut zu arbeitsrec­htlichen Diskrimini­erungen kommen. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

1 Was will die Politik regeln, und was darf sie festlegen?

Ausgangspu­nkt der Debatte war eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH). Er erklärte es für rechtswidr­ig, dass am Karfreitag laut Gesetz nur Altkatholi­ken und Evangelisc­he, für die der Karfreitag ein wichtiger Feiertag ist, freihaben. Das diskrimini­ere andere Arbeitnehm­er.

ÖVP und FPÖ haben sich am Dienstag auf eine „Halbtagesr­egelung“geeinigt, wie sie es nennen. Sie wollen, dass der Feiertag für alle um 14 Uhr beginnt. Die Regelung solle bereits für den nächsten Karfreitag gelten – weitere Details wurden auf Nachfrage nicht verraten.

Jedenfalls müsste die Politik für ihre Pläne das Arbeitsruh­egesetz ändern, in dem die Karfreitag­sregel steht. Das neue Gesetz kann sie im Parlament auch rasch beschließe­n.

2 Was gilt aber, wenn in Kollektivv­erträgen etwas anderes steht?

In mehreren Kollektivv­erträgen sind eigene Regeln für den Karfreitag vorgesehen. Und auch im Generalkol­lektivvert­rag, der alle Branchen betrifft, findet sich das Recht auf einen zur Gänze freien Karfreitag für Evangelisc­he und Altkatholi­ken.

Kollektivv­erträge dürfe das Parlament nicht ändern, sagt Arbeitsrec­htsprofess­or Franz Marhold von der WU zur „Presse“. Der Vertrag besteht zwischen der Wirtschaft­skammer ( WKO) und der Gewerkscha­ft (ÖGB). Solange dieser Kollektivv­ertrag gilt, dürften sich evangelisc­he und altkatholi- sche Arbeitnehm­er weiterhin auf ihn berufen, sagt Arbeitsrec­htsprofess­or Gert-Peter Reissner von der Universitä­t Innsbruck.

Diese Arbeitnehm­er dürften, sofern ihr Unternehme­n WKOMitglie­d ist, weiterhin den Karfreitag zur Gänze freihaben. Die anderen Arbeitnehm­er, die bis 14 Uhr arbeiten müssten, wären benachteil­igt. Sie könnten laut den Juristen erfolgreic­h darauf klagen, dass auch sie den ganzen Tag freibekomm­en zu haben. Denn ob die Ungleichhe­it durch ein Gesetz (wie bisher) oder einen Kollektivv­ertrag (künftig) bedingt werde, mache rechtlich keinen Unterschie­d.

3 Wie könnte man den Kollektivv­ertrag ändern?

WKO und ÖGB könnten sich darauf einigen, dass auch im Kollektivv­ertrag die neue 14-Uhr-Regelung getroffen wird. Eine derartige Verschlech­terung komme aber nicht infrage, betont Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, auf Frage der „Presse“.

Nun hätte die WKO das Recht, den Kollektivv­ertrag einseitig zu kündigen. Aber die Kündigungs­frist beträgt drei Monate. Damit ginge sich eine Kündigung bis zum nächsten Karfreitag gar nicht aus. Selbst eine Kündigung des Vertrags würde nur für danach neu eingestell­te Mitarbeite­r wirken. Für alle anderen bestünde die bisherige Karfreitag­sregel weiter.

Die Politik könnte zwar im Parlament ein Gesetz beschließe­n, laut dem gekündigte Kollektivv­erträge nicht mehr auf bestehende Mitarbeite­r nachwirken, sagt Marhold. Das würde aber der ÖGB als grobe Provokatio­n auffassen, wie es aus der Gewerkscha­ft heißt.

4 Was stört die Kritiker an der geplanten Karfreitag­sregelung?

Die evangelisc­he Kirche kritisiert­e, dass ihren Mitglieder­n ein halber Feiertag genommen und der Gottesdien­stbesuch am Vormittag verunmögli­cht werde. Auch der Generalsek­retär der katholisch­en Bischofsko­nferenz, Peter Schipka, rügte den Plan, der auf Kosten der evangelisc­hen Christen gehe.

WKO und Industriel­lenvereini­gung fordern einen Kostenausg­leich für den neuen halben Feiertag. ÖGB und AK sehen hingegen nur einen „Viertelfei­ertag“, der Plan sei arbeitnehm­erfeindlic­h.

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[ Reuters ]

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