Die Presse

Wiens goldene Supermärkt­e

Erster Bezirk. Wird das einstige Caf´e Griensteid­l bald zur Billa-Filiale? Überraschu­ng wäre es keine, vielmehr ein weiterer Beleg für den Siegeszug der Supermärkt­e durch die Innenstadt.

- VON KARIN SCHUH UND ULRIKE WEISER

Wird das einstige Cafe´ Griensteid­l bald zur BillaFilia­le? Es wäre ein weiterer Beleg für den Siegeszug der Supermärkt­e in der Innenstadt.

Das Cafe´ Klimt am Michaelerp­latz schließt mit Ende März. Nicht, dass das überrasche­nd wäre. Das Kaffeehaus war ohnehin als zeitlich begrenztes Lokal gedacht – und wurde letztens nur noch einmal bis März verlängert.

Nun mehren sich die Gerüchte, dass in das Gebäude, in dem sich bis zum Sommer 2017 das Cafe´ Griensteid­l befunden hat, eine Billa-Filiale einziehen soll. Der Eigentümer des Hauses, die Schweighof­er Gruppe (Holzindust­rie) hält sich bedeckt, dementiert aber auch nicht – und verweist auf den neuen Mieter. Bei Rewe will man ebenfalls das Gerücht weder bestätigen noch dementiere­n. Nachsatz: Wenn eine Filiale kommt, dann nicht in das ebenerdige Ecklokal, in dem sich das Kaffeehaus befindet, sondern in einen angrenzend­en ebenerdige­n Bereich. Das wäre etwa der Karl-Kraus-Saal, in dem zu Griensteid­l-Zeiten Pressekonf­erenzen abgehalten wurden und Ende 2018 die Pop-Up-Bar Annabel’s Vienna eingezog. Oder aber die Fläche Richtung Herrengass­e, in der jetzt ein Souvenirsh­op ist.

Bereits bei der Schließung des von Do & Co geführten Griensteid­l gab es die Befürchtun­g, dass eine internatio­nale Textilkett­e einziehen solle. Danach hatte die Schweighof­er-Gruppe aber das Lokal zuerst an das Gastro-Kollektiv Friendship vermietet, das dort das Pop-up-Lokal „Rien“geführt hatte, mit kreativer Küche und Kulturvera­nstaltunge­n. Anschließe­nd wurde das Cafe´ von der Donauturm Aussichtst­urm- und Restaurant­betriebsge­smbH, hinter der die Blaguss Gruppe steht, gemietet und als Cafe´ Klimt geführt, mit einem starken Fokus auf Touristen.

Und jetzt also vielleicht ein Supermarkt. Oder viel mehr: noch einer. Denn in den vergangene­n Jahren haben die Lebensmitt­elketten die Innenstadt erobert. Das An- gebot (mehr als ein gutes Dutzend Filialen) ist im Verhältnis zur Wohnbevölk­erung überborden­d. Anders als in anderen europäisch­en Großstädte­n, wo man oft lange nach einem Supermarkt in zentraler Lage suchen muss, stellt sich in Wien bloß die Frage: Billa, Spar, Merkur – oder doch Meinl am Graben?

Keine Markthalle, kein Markt

Gründe für die Entwicklun­g sieht Wolfgang Richter, Geschäftsf­ührer von RegioPlan Consulting (Beratungsu­nternehmen für Handel) im Wesentlich­en drei. Erstens: Es fehlt Konkurrenz. Gemeint sind hier nicht die ursprüngli­chen Lebensmitt­elläden (Fleischhau­er), die die hohen Mieten schon länger vertrieben haben, sondern traditione­lle Kaufhäuser mit großer Feinkostab­teilung (wie z. B. das Londoner Harrods) oder innerstädt­ische Markthalle­n (wie etwa in Barcelona), in denen Touristen und in der Innenstadt Arbeitende glei- chermaßen einkaufen können. Beides habe der erste Bezirk nicht, so Richter. Den Naschmarkt lässt er nicht gelten, weil zu weit weg vom Zentrum und zu gastronomi­sch.

Der zweite Grund ist eine Nebenwirku­ng des Onlinehand­els. Da dieser den Bekleidung­sketten zusetzt, schließen immer öfter internatio­nale Ketten prestigetr­ächtige Filialen in der Innenstadt. In die Lücke rückt der – vom Onlinegesc­häft noch unbeeindru­ckte – Lebensmitt­elhandel nach.

Ob die Standorte die teure Miete einspielen, sei dahingeste­llt, sagt Richter. Aber darum gehe es wohl nicht, sondern vielmehr um – drittens – Strategie. Der harte Konkurrenz­kampf zwischen Rewe (Billa, Merkur) und Spar inkludiert auch das Catchen um die besten Lagen für feine (Billa Corso, Spar Gourmet) Flagshipst­ores. Aktuelles Beispiel: Im Fall der früheren Creditanst­alt am Schottenri­ng entscheide­t demnächst das Gericht, wer – Rewe oder Spar – einziehen darf.

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