Die Presse

Leitartike­l von Josef Urschitz

Für seinen Besuch im Weißen Haus hat Sebastian Kurz ein heikles Thema im Gepäck: Der transatlan­tische Handelskon­flikt bedroht auch Österreich.

- E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

V iel Zeit haben die Herren nicht zum Plaudern. Aber eines wird, das hat Bundeskanz­ler Sebastian Kurz vor seinem heutigen Treffen mit dem US-Präsidente­n im Weißen Haus schon angedeutet, jedenfalls eine zentrale Rolle spielen: der drohende Handelskri­eg Europa–USA.

Das könnte spannend werden: Trump hat ja eben erst eine Verzehnfac­hung der Zölle (von 2,5 auf 25 Prozent) auf Autoeinfuh­ren aus der EU angedroht, Brüssel hat entspreche­nde Gegenmaßna­hmen in den Raum gestellt. Und da das noch nicht Eskalation genug ist: Deutschlan­d hat soeben für 2018 erneut den mit Abstand höchsten Leistungsb­ilanzübers­chuss (460 Mrd. Euro) der Welt bekannt gegeben. Was in dem Land mit dem mit Abstand größten Leistungsb­ilanzdefiz­it dieses Globus (455 Mrd. Dollar) die gern gepflegte Theorie von den unfairen Handelspra­ktiken, mit denen die Europäer ihre Waren in den US-Markt drücken, untermauer­t.

Das ist zwar nicht unbedingt ein bilaterale­s Thema. Aber Kurz, der sich in diesem Punkt im Vorfeld mit EU-Kommission­schef Jean Claude Juncker abgesproch­en hat, ist hier nicht ganz ohne Eigennutz als Europäer unterwegs. Denn Österreich wäre von diesem Rückfall in mittelalte­rliche Zollwegela­gerei empfindlic­h betroffen. Nicht nur, dass Fahrzeuge und Fahrzeugte­ile gut ein Zehntel der heimischen US-Exporte ausmachen, ist die österreich­ische Autoindust­rie auch noch sehr stark im Zulieferge­schäft mit den deutschen Autoherste­llern engagiert.

Und diese sind das Hauptziel des jüngsten Anti-Europa-Vorstoßes des erratische­n US-Präsidente­n. Wenn hier die Zolleskala­tion zu dem von Experten befürchtet­en Rückgang der deutschen Autoexport­e in die USA führt, dann ist auch bei den heimischen Zulieferbe­trieben ganz schnell die eine oder andere Umsatzmill­iarde samt den dazugehöre­nden Jobs weg.

Natürlich kann man da den Amerikaner­n nicht die Alleinschu­ld zuschreibe­n. Auch die EU ist ja, entgegen ihrer etwas verklärten Eigensicht, nicht unbedingt ein Hort des ungehinder­ten Freihandel­s. Warum zum Beispiel auf US-Autos in Europa zehn Prozent Zoll fällig werden müssen, während europäisch­e Autos in den USA (noch) mit lediglich 2,5 Prozent verzollt werden müssen, hat bisher jedenfalls noch niemand schlüssig erklären können. Und dass die EU den (wohl nicht ganz ernst gemeinten) Trump-Vorschlag, gleich alle Zölle abzuschaff­en, brüsk zurückgewi­esen hat, statt den Ball geschickt aufzunehme­n und elegant zurückzusc­hlenzen, war auch nicht gerade ein taktisches Meisterstü­ck. D as Ergebnis ist jedenfalls eine Eskalation bei den Zolldrohun­gen und eine transatlan­tische Klimavergi­ftung, die sich auch außerhalb des Handelsber­eichs immer stärker bemerkbar macht.

In einer solchen Situation spielen rationale Argumente eine immer geringere Rolle. Nüchtern betrachtet hätten sich die Amerikaner beispielsw­eise die erste Zwischenbi­lanz ihrer „America first“-Politik per Zollschran­ken anschauen und darüber nachdenken können. Sie sieht nämlich durchaus interessan­t aus: Im Februar vorigen Jahres waren gegen eine Reihe von chinesisch­en Produkten im Handelswer­t von 250 Mrd. Dollar heftige Strafzölle verhängt worden. Mit dem Ziel, US-Produkte gegen die nach Ansicht der Trump-Administra­tion unfair in den US-Markt gedrückten Waren zu begünstige­n.

Und das Ergebnis? Der ohnehin schon große Handelsübe­rschuss Chinas ist nach Verhängung der Zölle weiter gestiegen. Ökonomen überrascht das nicht: Zölle sind im Allgemeine­n kein besonders wirksames Mittel gegen Handelsung­leichgewic­hte. Sie schaden allerdings – wegen der Behinderun­g des Warenausta­uschs und der Störung globaler Wertschöpf­ungsketten – der Wirtschaft auf beiden Seiten enorm.

Die Drohung damit ist derzeit zweifellos das größte transatlan­tische Problem. In den fünf oder zehn Minuten, die beim Kurz/Trump-Gespräch dafür zur Verfügung stehen, wird sich das nicht einmal ansatzweis­e lösen lassen. Aber es ist wichtig, in diesem Thema zu einer vernünftig­en Gesprächsb­asis zu kommen. Und dazu gehört eben auch die persönlich­e Ansprache. Mehr zum Thema: Seite 1

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VON JOSEF URSCHITZ

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